Lavendel gegen Ameisen
zweimal haben sie uns in den Briefkasten gepisst», sagte sie.
«Sabine!» Frau Landmann warf Toppe einen entschuldigenden Blick zu.
«Stimmt doch aber, oder?» Sabine grinste. Sie setzte sich nicht wieder. «Ich muss los zur Probe.»
Frau Landmann schaute auf ihre Armbanduhr. «Jetzt schon?»
«Probe?», fragte Toppe.
«Ja, an unserer Schule gibt es eine Theater-AG. Wir proben auch in den Ferien, samstags immer ab elf, Ende offen.»
Toppe lächelte versonnen. «Schülertheater», sagte er. «Hab ich auch mal gemacht. Und? Welches Stück spielt ihr?»
«Eins von Mrozek, ‹Tango›. Kennen Sie das?»
«Mrozek kenne ich, aber ‹Tango›? Nein, ich glaube, nicht. Mrozek hat mir immer gefallen. Aber der ist doch ziemlich schwierig. Ihr müsst ganz schön gut sein.»
«Ja, wir sind gar nicht so schlecht, glaube ich.»
«Und Sie? Haben Sie viel Text?»
«Ja, schon. Ich spiele die Mutter. Im Oktober ist die Aufführung. Wollen Sie nicht kommen? Es steht dann noch in der Zeitung, wann genau.»
«Bestimmt», sagte Toppe und meinte es auch.
«Wenn Sie Lust haben, können Sie auch ruhig mal zur Probe kommen. Da sind immer Zuschauer.» Sie hatte rote Wangen bekommen.
«Wenn ich es schaffe, komme ich bestimmt. Sebus-Schule?»
«Ja, genau.»
Er hatte nicht übel Lust, den Fall Fall sein zu lassen und einfach mitzugehen. Aber das war natürlich unmöglich.
Als Sabine türenschlagend das Haus verlassen hatte, wendete er sich wieder Frau Landmann zu. «Ihr Mann hatte also Ärger mit diesen Motorradleuten?»
Er merkte sofort, dass es eine miserable Frage war, und ärgerte sich über seine Unkonzentriertheit.
Die Antwort war dementsprechend dünn. «Ja.» Sie schaute wieder auf ihre Uhr.
«Hatte Ihr Mann ein Arbeitszimmer oder einen anderen Platz, an dem er persönliche Dinge aufbewahrte?»
«Ja, ein Arbeitszimmer. Wollen Sie es sehen?»
«Bitte.»
Sie führte ihn in einen Raum, der zur Straße hin lag. Es war das klassische Arbeitszimmer eines erfolgreichen Mannes. An drei Wänden Bücherregale bis unter die Decke, an der Fensterseite ein wuchtiger Eichenschreibtisch mit einem dunklen Ledersessel davor.
«Ich würde mich gern eine Weile umsehen.»
Frau Landmann verstand sofort. «Ich muss noch einige Telefongespräche führen. Darf ich Sie einen Moment allein lassen?»
Er antwortete mit einer ähnlich leeren Floskel und fing an, sich im Raum umzusehen. Die Bücher waren sorgfältig sortiert. Hauptsächlich Fachliteratur und ausgesuchte, ledergebundene Klassiker, viele Philosophen. Toppe entdeckte eine sehr teure Goethe-Gesamtausgabe, viel Thomas Mann, Schopenhauer und Nietzsche. Kein Kant, kein Schiller.
Nichtraucher, stellte er fest, als er eine Zigarette angezündet hatte und keinen Aschenbecher fand. Er öffnete das Fenster und warf die angerauchte Zigarette in den Vorgarten.
Auf dem Schreibtisch war alles rechtwinklig ausgerichtet. Eine Schreibunterlage aus grünem Leder, dazu passend ein Tintenlöscher und eine Stiftablage. Links von der Unterlage ein Tischkalender.
Toppe setzte sich auf die Sesselkante und nahm den Kalender in die Hand. Unter vielen Daten gab es Eintragungen, Termine, allerdings nur in Kürzeln. Gespannt schlug er den 18. August auf und fand die Eintragungen «Che» mit einem Fragezeichen und «B. S. wg. Do».
Er ertappte sich dabei, dass er die Luft anhielt. «B. S.» und «Che». Sofort dachte er an Che Guevara, aber angesichts der konservativen Ausstattung des Arbeitszimmers und der peniblen Ordnung hier erschien ihm diese Assoziation unpassend.
Langsam blätterte er im Kalender zurück. Das «B. S.» tauchte häufiger auf. Das zweite «Che» hätte er beinahe übersehen. Es war klein und ging fast unter in der Fülle der Termine an diesem Tag, dem 14. Juli.
Toppe beschloss, den Kalender mitzunehmen, um ihn näher zu untersuchen, und öffnete die mittlere Schublade. Dort fand er einen Stapel weißes Papier, DIN A4, mit einem blassblauen, verschlungenen Monogramm in der rechten oberen Ecke – AFL – und einen Packen Rechnungen von der Klever ARAL-Tankstelle, mit einer großen Büroklammer zusammengehalten. Das war schon alles.
Im linken Fach standen unbeschriftete Ordner. Er zog wahllos einen heraus und fand Gerichtsakten. Offensichtlich hatte Landmann auch zu Hause gearbeitet. Er nahm die Ordner an sich, auch sie bedurften einer näheren Untersuchung. Vielleicht konnte van Appeldorn sich damit beschäftigen, schließlich hatte der mal drei Semester Jura
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