Lavendel gegen Ameisen
streckte ihm die Hand entgegen. «Wir sehen uns sicher noch.»
«Ja, tschüsskes, Herr Kommissar», antwortete Welbers beflissen, und als sie schon zum Auto gingen, rief er ihnen nach: «Wenn Sie mich fragen, mit dem Suerick sind Sie auf der falschen Spur. Wenn ich das mal sagen darf.»
Das Landeskrankenhaus Bedburg-Hau war Anfang des Jahrhunderts so angelegt worden, dass es völlig autark wirtschaften konnte, ein enorm großer Komplex mit allen möglichen Werkstätten, ein eigenes Dorf. Ein großer Park mit altem Baumbestand und Backsteinhäusern im Stil der Gründerzeit.
Sie fuhren langsam die schmalen asphaltierten Wege entlang und versuchten, anhand der Wegweiser zum richtigen Gebäude zu finden.
Toppe war schon ein paarmal hier gewesen. Heute gefiel ihm die Atmosphäre. Es war sonnig und still, und die vielen großen Bäume sorgten für ein freundliches Licht. Selbst die vergitterten Fenster und die hohen Zäune und Mauern vor einigen Gebäuden störten das dörfliche Idyll nicht, er konnte sich allerdings vorstellen, dass es bei Regenwetter ganz anders aussah.
«Schön hier», sagte er und kurbelte das Fenster herunter.
«Schön?» Van Appeldorn warf ihm einen erstaunten Blick zu. «Na, ich weiß nicht. Unter ‹schön› stelle ich mir was anderes vor!»
Martin Suerick saß zusammengesunken auf einem Stuhl in seinem Zimmer. Tausend Gedanken tummelten sich in seinem Kopf. Seit die Pfleger am Samstag mit den ersten Zeitungen gekommen waren, hatte er keine ruhige Minute mehr gehabt. Er verspürte eine unbezähmbare Lust, sich volllaufen zu lassen, damit endlich Ruhe herrschte in seinem Hirn.
Als der Pfleger hereinkam, schreckte er auf.
«Polizei will dich sprechen, Martin. Wegen Landmann.»
«Na endlich», dachte er.
«Ich rede nur mit denen, wenn Reimann dabei ist», sagte er bestimmt.
«Okay.» Der Pfleger klopfte ihm auf die Schulter. «Ich gehe ihn holen.»
Toppe und van Appeldorn warteten in einem kleinen Raum. Es war eine Art Büro mit einem Schreibtisch, einem Aktenschrank und einer niedrigen Sitzecke. Sie redeten nicht. Van Appeldorn hatte seine langen Beine von sich gestreckt und schaute durch das vergitterte Fenster hinaus auf die Müllcontainer im Hof. Sein Gesicht war ausdruckslos. Toppe kratzte sich den Bart und rupfte hin und wieder ein Haar aus. Es wäre ihm lieber gewesen, er hätte mehr über Suerick und dessen Krankheit gewusst. Und gleichzeitig fragte er sich wohl zum hundertsten Mal, was in solchen Momenten in van Appeldorn vorging.
Ein junger Mann kam herein. Er war schmal, hatte glattes, braunes, schulterlanges Haar und auffallend müde Augen.
«Tag, mein Name ist Reimann», stellte er sich vor. «Ich bin hier der Stationsleiter und Psychologe. Herr Suerick möchte, dass ich bei dem Gespräch dabei bin. Hallo, Norbert.»
«Ach, du, Klaus. Hier bist du also gelandet.»
Van Appeldorn stand auf und drückte dem Psychologen die Hand.
«Wir haben zusammen Abi gemacht», erklärte er Toppe und setzte sich wieder.
Es klopfte laut, und Suerick kam ins Zimmer. Ein kräftiger Mann mit krausem Haar und dunklen, unruhigen Augen. Im linken Ohr trug er einen großen Silberring.
Er murmelte einen Gruß und ließ sich in einen der grünen Sessel fallen. Seine Jeans waren ausgeblichen, er trug ein blaues Hemd und merkwürdig klobige weiße Schuhe.
Toppes Blick fiel unwillkürlich auf Suericks Hände, als er sie auf die Sessellehnen legte. Sie waren breit, mit schwarzen Trauerrändern unter den Nägeln und einer Tätowierung auf dem rechten Handrücken. Toppe konnte nicht erkennen, was es war, denn die Hände waren ständig in Bewegung.
«Herr Suerick, wissen Sie, was passiert ist?», begann Toppe, nachdem er sich vorgestellt hatte.
«Ja, Landmann ist ermordet worden.»
Toppe nickte. «Und zwar am Donnerstag in der Gärtnerei Welbers. Sie arbeiten dort?»
«Ja, schon lange.»
«Waren Sie am Donnerstag auch dort?»
«Klar, aber bloß bis halb vier, oder so. Welbers mussten weg.»
«Und was haben Sie dann nach halb vier gemacht?»
«Ich bin hierher zurück.»
Seine Augen waren jetzt ruhiger, sein Blick flackerte nicht mehr zwischen Toppe und Reimann hin und her.
«Kann das jemand bestätigen?»
«Klar.» Er schaute den Psychologen fragend an. Der nickte ihm beruhigend zu.
«Warum sind Sie am Freitag nicht zur Arbeit gekommen?», fragte jetzt van Appeldorn.
«Freitags arbeite ich nicht. Therapiegruppe.»
«Und montags? Haben Sie montags auch Therapiegruppe?»
«Nein.»
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