Lavendel-Glorias Letzter Wille ROTE LATERNE Band 7 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
Handtäschchen, um damit das Kuvert aufzuschlitzen.
Sie faltete den Brief auseinander.
»Bitte begeben Sie sich sofort nach Lausanne und warten sie im Café »Lac Leman« auf weitere Anweisungen. Nägele«, las sie halblaut vor.
»Lausanne?«, stammelte Anita. »Das ist ja ganz im Süden. Was soll das?«
»Es bedeutet, dass sich Nägele wohl in Lausanne aufhält«, meinte Karin. »Also, dann packen wir und fahren nach Lausanne. Dort werden wir unserem Ziel dann hoffentlich näher kommen.«
»Du machst dir das alles so einfach«, bemerkte Anita. »Was ist, wenn uns jemand folgt? Diese ganze Bande ist doch hier in Zürich.«
»Wir müssen eben sehr vorsichtig sein«, sagte Karin. Plötzlich war sie wie von einem Fieber ergriffen. Ja, diese Jagd nach dem Geld reizte sie maßlos, obgleich sie zur Stunde noch nicht sagen konnte, was einmal dabei herauskommen würde.
Als sie dann später, mit Perücken getarnt, die Pension verließen, sahen sie nicht die Chinesin, die auf der anderen Straßenseite stand. Ma-Lei-Tsung trug einen dunklen Lackmantel. Das Haar hatte sie unter einem unscheinbaren Kopftuch verborgen. Außerdem trug sie eine Sonnenbrille. In diesem Aufzug konnten die Mädchen Ma-Lei-Tsung nicht erkennen.
Sie winkten ein Taxi herbei, bestiegen es und ließen sich zum Hauptbahnhof bringen. Sie bemerkten zwar, dass ihnen ein Taxi nachfuhr, doch so etwas kam wohl häufiger vor, und sie schenkten beide diesem Umstand keine besondere Beachtung. .
Auf dem Hauptbahnhof von Zürich bestiegen sie den Zug, der sie nach Lausanne bringen sollte. Es fiel ihnen nicht auf, dass auch Ma-Lei-Tsung eine Karte löste, und Ma-Lei-Tsung merkte nicht, dass ihr Roland Wagner bereits dicht auf den Fersen war. Wagner hingegen ahnte nicht, dass Lüthers ihm folgte. Sie saßen später im selben Zug.
»Du«, meinte Anita zu Karin Clemens, nachdem sie es sich im Abteil bequem gemacht hatten. »Diese Kleine mit dem schwarzen Lackmantel und dem Kopftuch rutscht schon zum siebten Mal an unserem Abteil vorbei. Da stimmt doch was nicht.«
»Blödsinn«, sagte Karin. »Vielleicht hat sie nur 'ne erkältete Blase und muss öfter mal.«
Anita verzog das Gesicht.
»So arglos wie du möchte ich auch sein. Menschenskind, ich bereue es fast schon, dass ich dir in dieses Abenteuer gefolgt bin. Wer weiß, was ...«
»Ich habe dich nicht darum gebeten, dass du mitkommst«, sagte Karin eindringlich und polierte sich die Fingernägel.
Sie sprachen beide wenig während dieser Fahrt. Sie hingen ihren eigenen Gedanken nach.
»Was meinst du, wieviel es wohl sein wird?«, hörte Karin Anita nach einer scheinbar endlosen Zeit fragen.
»Wie? Was?«, erkundigte sie sich, ganz aus ihren Gedanken herausgerissen.
»Nun, ich meine, wieviel Lavendel-Gloria hinterlassen hat. Eine Million oder mehr?«
Karin zuckte die Schultern.
»Ich gehe davon aus, dass es 'ne ganze Menge sein muss, denn sonst wären nicht so viele Leute hinter diesem Nägele her. Ich verstehe auch gar nicht, weshalb er ein so riesengroßes Geheimnis daraus macht.«
»Na, hör mal, du bist gut«, sagte Anita. »Wenn du dich mit Leuten aus uns-rem Milieu einlässt, dann weißt du doch genau, was dir passieren kann. Glaub mir, Nägele hat die Gefahr erkannt, in der er sich wohl befindet.«
»Das werden wir alles sehen«, sagte Karin tröstend.
Am späten Nachmittag erreichten sie die Stadt am Genfer See, den die französischsprachigen Schweizer als Lac Leman bezeichneten.
Sie suchten sich wieder eine kleine, billige Pension, in der sie abstiegen. Dann machten sie sich auf den Weg zum Café »Lac Leman«.
Sie fanden es nach kurzer Suche. Es lag direkt an der Seepromenade und hatte vermutlich daher seinen Namen bekommen. Es war eines der typischen Strandcafés mit lockerer, ungezwungener Atmosphäre und mit einem Hauch südländischen Charmes.
Karin und Anita betraten das Café und suchten sich ein kleines Tischchen nahe der Theke. Sie sprachen beide kein Französisch.
Sie bestellten Kaffee, denn dieses Wörtchen ist so ziemlich international.
Dann blickten sie sich interessiert um.
Dort drüben, dieser Herr mit dem grauen Hut und dem weißen Anzug. War er vielleicht der ominöse Johann Nägele? Oder war es der im Nadelstreifenanzug? Sie waren beide verwirrt.
Den ganzen Nachmittag verbrachten sie im Café »Lac Leman«, ohne dass sich etwas tat. Sie waren so damit beschäftigt, die Menschen im Lokal zu beobachten, dass es ihnen gar nicht auffiel, was sich draußen an den
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