Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
Vom Netzwerk:
die Augen zu.
     
    Der Garten blühte wie eh und je. Sie hatte das Gefühl, dass die Farben genauso intensiv waren wie zuvor, und auch genauso betörend wirkten. Wie von einer Welle erfasst, stand sie am Ende des Gartens und schwankte leicht. Sie schloss die Augen und genoss das angenehme Gefühl, das sich tief in ihr breit machte. Sie fühlte sich nicht mehr krank, sondern kraftvoll und lebendig. Tief atmete sie ein.  
    Langsam ging sie den Rundweg durch den Garten. Sie begrüßte jede einzelne Blume, berührte deren Blütenköpfe, roch an den Kräutern und naschte hie und da eine Himbeere oder Ribisel. Sie genoss den süßen Geschmack auf der Zunge.
    In der Mitte des Gartens blieb sie stehen und sah sich um. Sie wurde das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Langsam ließ sie den Blick über den Garten schweifen, doch sie sah niemanden.
    Plötzlich ertönte ein helles Kinderlachen. Überrascht drehte sie sich um. Das Geräusch kam von der Hecke. Ruhigen Schrittes ging sie darauf zu.
    "Fang mich doch! Fang mich doch!", rief eine helle Stimme lachend.
    Sie war sich nun sicher, dass dort jemand war. Ein Kind muss wohl auf der anderen Seite der Hecke sein, dort, wo der Bach floss.
    "Hallo? Ist dort jemand?", rief sie. "Geh weg dort! Nicht, dass du ins Wasser fällst!"
    Panik machte sich in ihr breit und vertrieb die Ruhe und den Frieden von vorhin.
    Wieder hörte sie dieses kindliche Kichern. "Fang mich doch! Fang mich doch!", rief jemand.
    "Pass auf! Du sollst dort weggehen!", wiederholte sie.
    Sie stand nun direkt an der Hecke. Die Zweige waren so dicht, dass sie nicht durchsehen konnte, aber sie konnte den Bach dahinter rauschen hören. Dann erschallte ein Platschen. Angst stieg in ihr hoch.
    "Nein!!!"
    Sie schrie. Sie wollte über die Hecke sehen und dem Kind helfen, doch jemand hielt sie zurück.
     
    "Frau Lukas! Wachen Sie auf!", hörte Anna eine ruhige, aber bestimmte Stimme. Sie klang von fern, wie durch Watte. "Wachen Sie auf! Sie dürften einen schlimmen Traum gehabt haben. Ist ja schon gut."
    Anna hörte auf um sich zu schlagen, und auch ihr Atem beruhigte sich langsam. Sie öffnete die Lider und sah in die besorgten Augen der fröhlichen Schwester von vorhin, die sie sanft an den Schultern hielt.
    "Alles in Ordnung?", fragte sie.
    "Ja ... Ja, ich glaube schon."
    Anna sah sich um. Sie war wieder in ihrem Krankenzimmer. Weit weg von ihrem Garten. Ihr Herz raste immer noch und sie fühlte die nachklingende Angst. Verwirrt legte sie sich wieder in ihr Kissen zurück.
    "Hier. Ich habe Ihnen den Tee gebracht." Die Schwester wies auf das Nachttischchen.
    Anna sah eine Kanne und eine Tasse darauf stehen. Daneben war ein Schnabelbecher mit Wasser. Sie griff dankbar danach und trank. Kühl floss ihr das Wasser die trockene Kehle hinunter.
    "Hatten Sie einen schlimmen Traum?", fragte die Schwester und setzte sich zu ihr auf die Bettkante. Ihre Augenbrauen waren mitleidig nach oben gezogen.
    Anna nickte.
    "Ich bin übrigens Schwester Beate. Ich habe bis morgen früh Dienst. Wenn Sie etwas brauchen, können Sie jederzeit nach mir rufen. Einverstanden, Frau Lukas?" Dabei streichelte sie über Annas Hand, die schlaff auf der Bettdecke lag.
    Als sie wieder alleine war, dachte sie über ihren Traum nach. Er war so real gewesen, dass ihr der Schreck noch immer in den Gliedern saß. Das Glücksgefühl von der Freude über den Garten war wie weggeblasen. Was blieb, war die Angst und das Gefühl, diese Situation schon einmal erlebt zu haben.
    Sechsundsechzig Jahre lang hatte sie diese Angst erfolgreich verdrängt. Nun war sie mit voller Wucht wieder da.
     
     
    Stella
     
    "Bitte verstehen Sie doch, ich kann diese Woche unmöglich arbeiten gehen! Meine Mutter braucht mich. Ich ... ja, natürlich werde ich die Zeit wieder einarbeiten ... In Ordnung. Vielen, vielen Dank! Danke! Auf Wiederhören." Stella legte das Telefon auf, erleichtert, dass ihr Chef einem unbezahlten Urlaub zugestimmt hatte.
    Seit zwanzig Jahren arbeitete sie nun schon als Kindergartenpädagogin in einem privaten Kindergarten. Die Kinder mochten sie, und ihre Arbeitskolleginnen bewunderten ihre Geduld und ihr Einfühlungsvermögen. Wenn ein Kind weinte, dann schaffte es Stella immer, dass es sich rasch wieder beruhigen und ablenken ließ.
    Obwohl sie gern als Pädagogin arbeitete und gut mit Kindern umgehen konnte, hatte sie das Gefühl, in der Erziehung ihres Sohnes versagt zu haben. Mit jedem Kind, und mochte es noch so schwierig sein, konnte Stella

Weitere Kostenlose Bücher