Lavendel und Blütenstaub
Krankenzimmer.
Anna saß in ihrem Bett. Sie wirkte blass und erschöpft. Bei Stellas Anblick aber lächelte auch sie. "Hallo Sternchen! Du siehst aber fröhlich aus."
"Ich habe gute Neuigkeiten! Du darfst nach Hause!"
"Was? Heute?"
"Ja, heute!", bestätigte Stella. "Komm, wir können gleich los. Du brauchst nur noch hier den Revers für das Krankenhaus zu unterschreiben." Sie hielt Anna einen Zettel hin. Da die Entlassung von ihr in Annas Namen gefordert wurde - wissend, dass es auch der Wunsch ihrer Mutter sein würde - sicherte sich das Krankenhaus damit ab.
Während Anna mit zitternder Hand unterschrieb, packte Stella ihre Sachen ein und half ihrer Mutter dann beim Ankleiden. In der Zwischenzeit kam Dr. Werneck.
"Schön, Sie so strahlen zu sehen, Frau Lukas!" Er lächelte. "Ich entferne Ihnen noch den Venenzugang, dann können Sie gleich los. Sie müssen mir nur versprechen, zu Hause ausreichend zu trinken und zu essen, sonst sehen wir uns leider schneller wieder, als Ihnen lieb ist, und das wollen wir doch nicht, oder?" Er zwinkerte ihr zu.
Anna lächelte selig zurück. "Ich verspreche es, Herr Doktor. Zu Hause kommt der Appetit bestimmt wieder zurück."
"Vielen Dank, Dr. Werneck." Stella reichte dem Arzt die Hand.
"Alles Gute wünsche ich Ihnen. Passen Sie gut auf Ihre Mutter auf. Wenn etwas ist, können Sie mich jederzeit anrufen. Sie haben ja meine Nummer. Wenn die Schmerzen zu stark werden sollten, dann scheuen Sie sich bitte nicht, zu uns zu kommen."
"Es wird schon gehen", winkte Anna ab und wandte sich zur Tür. Stella folgte ihr und gemeinsam ließen sie das Krankenhaus hinter sich.
Gabriela
Der große Konferenzraum war hell. Die Sonne schien durch die breiten, bodentiefen Fester genau auf den großen ovalen Tisch in der Mitte des Raumes. Drei Männer mit dunklen Anzügen beugten sich über einen Stapel Entwürfe, eine Frau im eleganten Hosenanzug stand etwas abseits und beobachtete sie.
"Ja, das sieht schon ganz gut aus."
"Vielleicht könnte man hier noch ..."
"... und hier gehört noch ein ..."
Gabriela vernahm leises Tuscheln. Sie war gespannt, wie ihr Entwurf beim Kunden ankommen würde. Die Zukunft des Büros hing davon ab. Würde sie den Zuschlag für den Bau des Fitnessstudios bekommen, dann würde sie die nächsten Jahre keine finanziellen Sorgen mehr haben müssen.
Durch die Ereignisse der letzten Tage war es Gabriela schwer gefallen diesen Termin einzuhalten und die neue Fitnessoase fertig zu planen. Sie wusste jedoch, dass dieser Auftrag überaus wichtig war. In den letzten beiden Tagen war sie bis spät in die Nacht gesessen und hatte die Pläne fertig gezeichnet. Dazwischen hatte sie immer wieder mit Erwin gesprochen, ihn getröstet und überlegt, wie es mit Anna weitergehen sollte.
Gabriela schüttelte den Kopf. Sie verscheuchte die Gedanken um Annas Krebserkrankung und versuchte, sich auf den Termin zu konzentrieren.
In ihrer Hosentasche vibrierte ihr kleines Handy. Sie drehte sich um und nahm ab. "Ja?" Ihre Stimme war kaum ein Flüstern.
"Schatz, ich bin es. Sie hat es tatsächlich gewagt! Jetzt hat sie Mutter einfach ..."
"Langsam, langsam. Ich bin gerade in einem wichtigen Meeting. Können wir später reden?"
"Nein, können wir nicht." Erwin schrie aufgebracht ins Telefon. "Mutter ist nicht mehr im Krankenhaus. Stella hat sie abgeholt, ohne Bescheid zu sagen!"
"Was? Aber warum? Ich dachte, sie muss noch bleiben, wegen der Medikamente und so?" Gabriela bemühte sich ihre Stimme leise zu halten.
"Stella hat bei Dr. Werneck eine vorzeitige Entlassung beantragt und Mutter einen Revers unterschreiben lassen. Sie sind schon bei Mutter zu Hause. Kannst du das fassen? Ich fahre sofort hin."
"Schatz, warte doch mal!"
Doch Erwin hatte schon aufgelegt. Gabriela klappte das Telefon zu und drehte sich wieder zu ihren Kunden um. Diese hatten die Begutachtung der Pläne unterbrochen und starrten sie nun neugierig an.
Gabriela überlegte, was sie tun sollte. Sollte sie ihren Mann, wütend und einer Kurzschlussaktion nahe, einfach gewähren lassen, oder sollte sie zu ihm fahren und ihn beruhigen? Sie wusste, dass Erwin sie brauchte. Er war verletzt und verzweifelt. Die Diagnose seiner Mutter war nicht leicht für ihn. Doch andererseits war der Termin hier überaus wichtig.
"Frau Lukas, ist alles in Ordnung mit Ihnen?"
Herr Meier, ein Mann im modischen, dunkelgrauen Anzug und schwarzer Brille, sah sie besorgt an. Auch die beiden anderen Herren musterten sie.
"Ich
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