Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
Vom Netzwerk:
Gabriela ins Haus.
    Erwin sah sich um. Er war schon länger nicht mehr hier gewesen, denn meist telefonierte er mit Anna nur. Entweder musste er arbeiten, oder er war zu Hause und verbrachte Zeit mit Gabriela, Aurelia und den Enkelkindern.
    Im Haus hatte sich nichts verändert. Die Schwarzweißbilder an den Wänden zeigten Erwin und Stella als Kinder. Dazwischen hingen Kinderfotos seiner Tochter. Aurelia hatte die selben dunklen Augen und Haare wie ihr Vater und war bildhübsch. Daneben war ein aktuelles Familienfoto. Zu sehen waren Erwin und Gabriela mit Aurelia, Christopher, Sebastian und Marina. Es war ein Bild aus glücklichen Tagen, bevor der Krebs in die Familie eingezogen war und alles über den Haufen geworfen hatte.
    "Wollt ihr Kaffee?", fragte Anna aus der Küche.
    Erwin riss sich von den Bildern los und sah Gabriela fragend an, die im dämmrigen Vorraum hinter ihm stand. Sie nickte.
    "Ja, bitte!", rief er und ging in die Küche. Gabriela folgte ihm wie ein Schatten.
    Von oben hörten sie ein Poltern und Stella kam die Treppe herunter. Als sie die Küche betrat, blieb sie wie angewurzelt stehen. Sie starrte Erwin an. Sie wirkte unsicher. Hatte sie etwa Schuldgefühle? Erwin konnte es sich nicht vorstellen. Seine Schwester war abgebrüht und berechnend, ging es ihm durch den Kopf.
    "Wir sollten reden", sagte er und deutete auf die Eckbank, vor der ein großer runder Tisch stand. Anna stellte gerade zwei Tassen Kaffee auf den Tisch. Das Aroma frisch gemahlener Bohnen lag in der Luft. Erwin registrierte zufrieden, dass Anna seine Kaffeemaschine benutzte, die er ihr zum letzten Geburtstag geschenkt hatte.
    "Du hattest recht, Erwin", sagte Anna, als würde sie seine Gedanken lesen. "Es geht wirklich einfacher und schneller mit dieser Maschine, dieser Secko."
    "Saeco. Sie heißt Saeco, Mutter."
    "Du wolltest reden?" Stella stand noch immer beim Türrahmen und hatte die Arme verschränkt. Sie machte keine Anstalten, sich von dort wegzubewegen.
    Erwin atmete tief ein. Der Groll kam in ihm wieder hoch und er musste sich beherrschen, ruhig zu sprechen. "Warum hast du das getan? Willst du, dass Mutter stirbt?"
    "Warum sollte sie sterben, nur weil sie zu Hause sein möchte? Ich erfülle ihr einen Wunsch!"
    "Und die Infusionen? Die medizinische Versorgung?" Er saß, die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt, am Tisch und sah Stella vorwurfsvoll an. Gabriela stand mit einer Kaffeetasse in der Hand vor der Terrassentür. Ihr Blick verlor sich irgendwo im Garten, aber Erwin wusste, dass sie alles um sich herum genau mitbekam.
    "Glaubst du wirklich, ich mache mir um nichts Gedanken? Denkst du wirklich so von mir?" Stella drehte sich aufgebracht weg und ging zum Küchenschrank. Sie öffnete ihn und holte eine Schuhschachtel heraus. Diese knallte sie vor Erwin auf den Tisch. Er zuckte zurück.
    "Keine Angst, das sind keine Schuhe", fotzelte sie in spöttischem Ton. "Darin sind dutzende Pillen, Pulver, Tropfen und was weiß ich noch was! Wirf MIR nicht vor, ich würde mich nicht kümmern! Im Gegensatz zu DIR mache ich mir Gedanken um meine Mitmenschen, die ich liebe!"
    Erwin starrte auf die Medikamente vor sich. Es war still im Raum und nur das leise Ticken einer Uhr war zu hören.
    Anna war die ganze Zeit daneben gestanden. Nun ergriff sie das Wort. "Jetzt reicht es aber!"
    Alle sahen sie erstaunt an, selbst Gabriela.
    "Müsst ihr eure Streitigkeiten neben mir austragen?"
    "Mutter, ..."
    "Mama, ..."
    "Ruhe! Jetzt rede ich!"
    Erwin und Stella schlossen gleichzeitig wieder den Mund. Erwin konnte sich nicht erinnern, seine Mutter jemals so aufgebracht gesehen zu haben.
    "Erwin, es war tatsächlich mein Wunsch, nach Hause zu kommen. Ich brauche mein Haus, meinen Garten, meine frische Luft, meine Natur - einfach das alles hier." Mit ihrer rechten Hand zeichnete sie einen großen Kreis in die Luft und schloss alles um sie herum in ihre Ausführungen mit ein.
    Stella setzte ein zufriedenes Lächeln auf und sah Erwin von oben herab an.
    "Siehst du!", schien der Blick zu sagen.
    Genervt sah Erwin schnell wieder zu Anna.
    "Und du, Stella, hörst bitte auf damit, Erwin in allen Dingen ausschließen zu wollen!"
    Zufrieden bemerkte Erwin, wie Stellas Lächeln in ihrem Gesicht erstarb.
    "Ich weiß, dass ihr euch nicht versteht, aber haltet mich aus dieser Geschichte raus. Ich hab wahrlich andere Sorgen, als mir noch länger eure Streitereien anzuhören."
    Anna atmete hörbar aus und ein, dann setzte sie sich zu Erwin auf die Eckbank.

Weitere Kostenlose Bücher