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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
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"Sehr interessant. Ich habe mich noch nie damit auseinandergesetzt, aber mir gefällt das Konzept der Betreuung." Wieder richtete sie ihre Augen auf das flimmernde Fernsehbild. "Es ist sehr bewegend, sehr traurig, aber irgendwie auch schön, wenn man sieht, wie die Menschen zu Hause im Kreise der Familie sterben können. Es wirkt alles so friedlich."
    Erwin drückte Gabrielas Hand. Er wusste, was sie meinte. Dasselbe hatte er sich auch gedacht, als er die Doku am Vortag gesehen hatte. Er hatte sie aufgenommen, damit er sie Gabriela zeigen konnte.
    "Denkst du, wir schaffen das auch?"
    "Hm?", fragte Gabriela, die gebannt sah, wie die gesamte Familie, von Kindern bis Urenkeln, um das Bett einer greisen Frau versammelt waren. Es war still und friedlich. Einige hielten sich an den Händen, andere weinten. Neben dem Bett stand eine dicke Kerze aus Bienenwachs, die sanft flackerte und Licht spendete. Selbst die Kinder waren ruhig und nahmen Abschied von ihrer Uroma, der die letzten Atemzüge bevorstanden.
    Erwin betrachtete die Situation mit gemischten Gefühlen. Gerne würde er seiner Mutter in ihren letzten Wochen und Stunden ein ebenso harmonisches und friedliches Bild bieten können, aber er hatte keine große Hoffnung. Er und Stella würden nie so einträchtig am Bett ihrer Mutter sitzen können.
    "Denkst du, wir schaffen das auch?", wiederholte er seine Frage. "Dass Mutter so friedlich sterben kann?"
    "Ich weiß es nicht", antwortete Gabriela mit tränenerstickter Stimme. "Ich würde es deiner Mutter wünschen, aber ob wir alle die Vergangenheit ruhen lassen können, um gemeinsam für sie da zu sein, das bezweifle ich." Dann rollten zwei Tränen ihre Wangen hinunter, während am Fernsehbildschirm die Kerze ausging und es dunkel wurde.
    Am nächsten Morgen machte sich Erwin auf den Weg ins Krankenhaus. Bevor er am Abend zu Gabriela ins Wohnzimmer gegangen war, hatte er auf Annas Zimmeranschluss im Krankenhaus angerufen. Stella hatte stillschweigend das Telefon an Anna weitergereicht, so erfuhr Erwin von ihr, dass die Entlassung bevorstand.
    Später hatte er mit Jonathan vereinbart, dass Erwin seine Mutter und Stella vom Krankenhaus abholen würde. Er hatte es satt, ignoriert zu werden und ausgeschlossen zu sein.
    Stella wartete schon in der Eingangshalle des Krankenhauses. Ihre Gesichtszüge verfinsterten sich, als sie an Jonathans Stelle Erwin sah, der nach außen hin locker daherging, innerlich aber angespannt war. Sie sagte jedoch nichts, sondern nahm Annas Tasche und ging an Erwin vorbei Richtung Ausgang.
    "Hallo Mutter", sagte Erwin und half Anna hoch, die auf einem Stuhl saß. "Wie geht es dir?"
    "Gut, gut", antwortete Anna. Sie lächelte.
    Erwin musterte sie. Ihre weißen kurzen Haare waren gekämmt, sie hatte eine Stoffhose und ein langärmeliges Shirt an. Ihre Gesichtsfarbe war rosig. "Wie geht es dir mit den Medikamenten? Hast du noch Schmerzen?"
    "Sie wirken", antwortete Anna schulterzuckend, entwand sich Erwins Arm und folgte Stella durch die Drehtür hinaus ins Freie.
     
     
    Stella
     
    Die Autofahrt verlief schweigend. Stella saß auf der Rückbank und blickte hinaus auf die vorbeifliegende Landschaft. Anna sah am Beifahrersitz stur gerade aus. Nur hin und wieder sprach sie leise mit Erwin, der sich auf den Verkehr konzentrierte.
    Sie hatten die stark bebaute Stadt hinter sich gelassen. Wiesen, Hecken und Häuser wechselten sich nun ab. Immer näher kam Stellas Elternhaus und damit auch die Erinnerungen an früher, als sie als kleines Mädchen auf der Rückbank im elterlichen Fahrzeug gesessen hatte. Es war ein grüner Käfer gewesen, und Stella konnte es sich auf der ganzen Rückbank bequem machen. Erwin war mit sechzehn Jahren schon selbst mit dem Roller unterwegs gewesen und war nur noch selten mit der Familie mitgefahren.
    Wenn Stella mit ihren Eltern einen Ausflug gemacht hatte oder zum Einkaufen gefahren war, dann saß mit ihr auch ihr brauner Stoffhund Stupsi und die Puppe Susi im Auto, jeder auf seinem Platz mit einem Gurt befestigt.
    Sie konnte sich noch gut an die Siedlung erinnern, wie sie früher ausgesehen hatte. Die Bäume waren noch ein wenig kleiner und weniger dicht gewesen als heute, aber die Häuser und die Straßen waren die gleichen geblieben. Nur die Bewohner waren älter geworden, stellte Stella fest, als sie die Nachbarin Frau Schmidt mit grauen Locken aus dem Haus kommen sah, um mit dem Hund spazieren zu gehen. Und der Hund war auch nicht mehr derselbe, bemerkte sie.
    Wehmütig

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