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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
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seufzte Stella. Sie fragte sich, wo die Zeit geblieben war, denn für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl gehabt, sie wäre stehen geblieben, doch in Wirklichkeit lief sie wie immer, zu schnell für Stellas Verhältnisse. In wenigen Wochen würde sogar die wenige Zeit, die ihr mit ihrer Mutter blieb, vorbei sein. Als sie daran dachte, schluckte sie die Tränen tapfer hinunter.
    Im Haus angekommen richtete Stella sofort Annas Bett her. Sie schüttelte die Kissen auf und öffnete das Fenster. Frische, würzig duftende Luft kam hereingeweht und Anna, die gerade das Schlafzimmer betreten hatte, atmete tief ein.
    "Schön, wieder zu Hause zu sein", sagte sie und lächelte.
    "Schön, dich wieder zu Hause zu sehen", erwiderte Stella und lächelte zurück. "Wie geht es dir?"
    "Ich bin ein wenig müde. Und übel ist mir auch."
    "Ich mach dir gleich einen Tee mit frischem Ingwer, das wird ein wenig helfen."
    Dr. Becker hatte Stella auf die Nebenwirkungen der Medikamente, die Anna zur Schmerzlinderung nehmen musste, aufmerksam gemacht. Wenn zudem die Übelkeit zu heftig wurde, hatte sie Tabletten, die sie Anna geben konnte, aber wenn es erträglich war, dann konnte auch ein Tee Linderung verschaffen. Frischer Ingwer war dabei für seine wohltuende Wirkung bekannt.
    "Kannst du auch Apfelstücke hineingeben? Dann schmeckt er ein wenig besser."
    "Natürlich. Brauchst du sonst noch was?"
    Anna schüttelte den Kopf und legte sich ins Bett.
    Stella half ihr und deckte sie mit einer dünnen Decke zu, dann ging sie nach unten.
    In der Küche sah sie Erwin am Tisch sitzen, vor sich eine Tasse Kaffee. Sein Blick war gesenkt und er umklammerte mit beiden Händen die Tasse. Er wirkte fehl am Platz.
    Wie angewurzelt blieb Stella stehen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass Erwin noch hier war und wusste kurz nicht, wie sie sich verhalten sollte. Schließlich tat sie das, was sie immer tat, sie ignorierte Erwin, ging zur Kaffeemaschine, ließ Kaffee in eine Tasse laufen und setzte sich auf die Terrasse unter die Weinlaube. Stille breitete sich über dem Haus aus. Alles war ruhig, und dennoch konnte Stella die Anspannung fühlen, die zwischen den Geschwistern knisterte.
    Langsam nahm sie einen Schluck und blickte auf den Garten. Es musste einiges gemacht werden, bemerkte Stella, und sie ging im Gedanken die Arbeiten durch. Es war zu sehen, dass jemand im Garten fehlte. Anna hatte immer viel Wert auf Ordnung und Sauberkeit gelegt. Kein Unkraut wuchs am falschen Platz und kein Pflänzchen war verdorrt, nun aber wirkte der Garten leicht vernachlässigt.
    Stella wollte sich gerade erheben, als sie neben sich eine Bewegung wahrnahm. Sie drehte den Kopf und sah Erwin in der Tür stehen. Er blickte sie an.
    "Wir müssen reden."
    Stella drehte den Kopf demonstrativ weg. "Ich wüsste nicht, worüber."
    "Über das alles hier", sagte Erwin und deutete mit der Hand auf den Garten und das Haus und schien Anna in dieser Geste gleich mit einzuschließen.
    Stella schwieg und nahm einen Schluck Kaffee. Vielleicht würde er ja gehen, wenn sie nichts sagte. So wie immer. Bisher war sie erfolgreich einer Konfrontation mit ihrem Bruder ausgewichen.
    Doch dieses Mal war Erwin hartnäckig. "Ich weiß, du willst nicht mit mir reden, aber Stella, hör mich an!" Er klang flehentlich. "Es geht um Mutter! Findest du nicht, dass wir gemeinsam versuchen sollten, sie zu unterstützen? Ihr zu helfen?"
    "Mutter!", schnaufte Stella verächtlich. "Genau, du sagst es: Mutter!" Sie sah ihn ärgerlich an. "Für dich war sie nie mehr als das! Dir war doch immer egal, was mit ihr ist! Warum scherst du dich gerade jetzt darum? Lass mich und sie in Frieden!" Sie knallte ihre Tasse auf den Tisch und stürmte an Erwin vorbei ins Haus. Im Flur stieß sie beinahe mit Jonathan zusammen, der mit dem Einkauf in der Hand hereingekommen war.
    "Was ist denn hier los?", fragte er erstaunt.
    Stella antwortete nicht, sondern eilte die Treppe hinauf und schloss sich in ihrem ehemaligen Kinderzimmer ein. Sie ließ den Tränen freien Lauf und schluchzte in ihr aufblasbares Gästebett.
     
    Nebenan ging Anna vom gekippten Fenster weg zu ihrem Bett. Sie hatte die Worte ihrer Kinder gehört. Tief grub sich die Verzweiflung über den tiefen, schwelenden Streit ihrer Kinder in ihr Herz.
     
     
    Jonathan
     
    Er hatte seine Mutter nur ganz selten so aufgebracht gesehen. Das letzte Mal, als er ihr gestanden hatte, dass er nicht mehr zur Arbeit ging und ihm deshalb die Kündigung drohte. Zuerst hatte

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