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Lavendel und Blütenstaub

Lavendel und Blütenstaub

Titel: Lavendel und Blütenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Habersatter
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Türrahmen hing. "Sie müsste in einer halben Stunde zu Hause sein. Heute ist sie bei Frau Mertens Rummy spielen." Sie erhob sich. "Und jetzt leg ich mich wieder hin. Sag deiner Mutter, sie hat den Tee vergessen."
    Jonathan sah seiner Oma nach, wie sie aus der Küche ging, fast lautlos, wegen der dicken Socken an den Füßen.
     
    Im ersten Stock war es düster. Die Tür zu Annas Schlafzimmer war verschlossen, weshalb kaum Licht in den Flur drang. Jonathan wandte sich der dunklen Eichentür des ehemaligen Kinderzimmers zu. Seit er denken konnte, war der Raum mit Kästen vollgestopft gewesen.
    Jonathan klopfte zögerlich. Aus dem Zimmer drang kein Laut.
    "Ja?", klang es dumpf und nasal.
    Er öffnete die Tür einen Spalt breit. "Kann ich reinkommen?"
    Stella saß auf dem Bett und wischte sich mit einem Taschentuch über das Gesicht. Langsam nickte sie.
    Jonathan war unbehaglich zumute. "Alles klar?"
    "Ja, ja. Schon gut. Was gibt's?"
    "Du hast Omas Tee vergessen." Er deutete entschuldigend auf Annas Schlafzimmertür.
    Stella sprang auf. "Oh!", rief sie. "Scheiße!" Dann eilte sie nach unten.
    Jonathan folgte ihr in die Küche. "Ist wirklich alles in Ordnung?"
    Stella hantierte mit dem Wasserkocher und befüllte ihn mit Wasser. "Ja, ja. Alles klar."
    "Du siehst aber nicht so aus." Er ließ nicht locker.
    Stella schaltete den Wasserkocher ein, nahm eine Ingwerwurzel von einer Ecke der Arbeitsfläche und schnitt energisch Scheiben herunter.
    Jonathan ging auf sie zu und berührte ihre Schulter. "Mum?"
    Stella fuhr herum, das Messer immer noch in der Hand haltend.
    Jonathan wich einen Schritt zurück.
    Stellas Augen funkelten, aber nicht boshaft, sondern mit Tränen gefüllt. Sie ließ das Messer fallen und sackte gegen die Küchenzeile. Sie brach in Tränen aus. "Es ist alles so furchtbar", schluchzte sie in ihre Hände und weinte.
    Jonathan stand schweigend da. Er wusste nicht, was er tun sollte. Schließlich gab er sich einen Ruck, hob das Messer auf, legte es in die Spüle und nahm Stella in den Arm.
    Nach ein paar Minuten hatte sie sich wieder gefangen, schnäuzte sich, wusch das Gesicht mit kaltem Wasser und brachte den Ingwertee zu Anna nach oben. Als sie zurückkam, sah sie beinahe wieder normal aus.
    "Tut mir leid", sagte sie entschuldigend. "Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. Es ist einfach nur gerade alles so schwierig." Sie brach ab und setzte sich zu Jonathan an den Tisch. "Danke, dass du einkaufen warst und alles weggeräumt hast."
    "Wäre wohl besser, du hättest es selbst getan. Die Eier sind Matsch", sagte er grinsend und deutete auf den Mülleimer, aus dem die dotterverschmierte Schachtel hervor sah.
    Stella lächelte. "Tollpatsch", sagte sie und wuschelte ihm durch die Haare.
    Jonathan entspannte sich ein wenig. Endlich war die Atmosphäre im Haus nicht mehr so angespannt. Er blickte auf die Uhr, stand auf, nahm das Päckchen vom Küchenschrank und ging zur Tür.
    "Ich bring das schnell rüber zur Huber", erklärte er mit geringer Begeisterung.
    Frau Huber wohnte gegenüber von Anna, und Jonathan konnte das Radio der alten Frau hören, noch bevor er ihr Grundstück betreten hatte. Frau Huber war schwerhörig geworden in den letzten Jahren, und Jonathan graute es davor, einer alten, schwerhörigen Dame gegenüber zu treten.
    Er läutete, wartete und läutete noch einmal. Dieses Mal länger.
    Endlich wurde das Radio leiser gestellt.
    "Ist da jemand?", plärrte es aus dem Haus.
    Jonathan läutete noch einmal, dann hörte er Schritte und die Tür öffnete sich. Eine alte, runzlige Frau mit kurzen weißen Haaren stand ihm gegenüber und musterte ihn. "Ja, bitte?" Dabei entblößte sie ihr zahnlückiges Gebiss. Sie grinste und Jonathan musste an das Märchen von Hänsel und Gretel denken. So musste die Hexe wohl die beiden gemustert haben, als sie vor dem Knusperhäuschen gestanden hatten.
    Er riss sich vom Anblick des lückigen Gebisses los und stotterte: "Ähm, ich bin Jonathan, der Enkel von Frau Lukas ..." Unbeholfen fuchtelte er mit dem Päckchen herum und zeigte mit der anderen Hand hinter sich auf das Haus.
    "Mei, Jonathan!", unterbrach ihn Frau Huber und schlug sich die Hände vor das Gesicht. "Na, dich habe ich aber schon ewig nicht mehr gesehen! Groß bist du geworden!" Sie begutachtete Jonathan von oben bis unten.
    Ihm wurde noch unbehaglicher zumute und er trat einen Schritt zurück. Womöglich würde Frau Huber ihn sonst in seine Wangen kneifen. "Ich wollte Ihnen nur schnell etwas

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