Lavinia & Tobais 01 - Liebe wider Willen
der Kante einer Werkbank festzuhalten. Seine Fingerknöchel berührten einen großen Topf, in dem ein riesiger Farn wuchs. Mit beiden Armen hob er den schweren Topf hoch.
Der Mann war nur noch zwei Schritte entfernt, als Tobias den Topf mit dem Farn gegen seine Schulter und die Seite seines Kopfes warf. Er ging zu Boden wie ein gefällter Baum.
Eine unheimliche Stille legte sich über den Wintergarten. Tobias stützte sich gegen die Werkbank und lauschte. Es gab keine Schritte. Keine Alarmrufe.
Nach einem Augenblick stieß er sich von der Werkbank ab und humpelte zu der Tür, die sich zu dem großen Garten hin öffnete. Kurze Zeit später erreichte er die Straße. Es war weit und breit keine Mietkutsche zu sehen.
Wieder einmal sein verdammtes Glück. Es würde ein langer Weg werden bis zum Colchester-Herrenhaus. Aber immerhin regnete es nicht.
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22. Kapitel
»Verdammte Hölle, wo ist er?« Lavinia stand auf Zehenspitzen und versuchte, über die Köpfe der Menschenmenge zu blicken. »Ich kann Neville nicht sehen. Emeline?«
Emeline brauchte sich nicht auf die Zehenspitzen zu stellen, um etwas zu sehen. »Nein. Vielleicht ist er in den Raum gegangen, in dem das Büffet steht.«
»Noch vor einem Augenblick sprach er mit einem der Lakaien.« Lavinias Handflächen prickelten. »Jetzt ist er weg. Er könnte das Haus verlassen haben.«
»Was ist denn daran so überraschend?«, fragte Joan. »Neville hat zweifellos die Absicht gehabt, nur kurz hier auf diesem Ball zu erscheinen. Solche Veranstaltungen sind für die meisten Gentlemen äußerst langweilig. Wahrscheinlich ist er jetzt längst auf dem Weg in eine Spielhölle oder vielleicht sogar ein Bordell, um nach einer neuen Geliebten zu suchen.«
Ein lebhaftes Bild von dem Blut auf der Kapuze von Sallys Umhang blitzte in Lavinias Kopf auf. »Was für ein schrecklicher Gedanke.«
»Beruhigen Sie sich.« Joan sah sie mit einem betroffenen Gesichtsausdruck an. »Sie sind seit einiger Zeit ängstlich.«
Weil ich nicht aufhören kann, mir Sorgen um Tobias zu machen, dachte Lavinia. Aber es hatte keinen Zweck, ihre Ängste laut auszusprechen. Es gab auch keinen Grund, über Nevilles plötzliches Verschwinden aus dem Ballsaal übermäßig besorgt zu sein. Joan hatte zweifellos Recht in ihrer Einschätzung der Situation.
Dennoch machte es sie unsicher, dass sie ihr Ziel aus den Augen verloren hatte.
Anthony stand plötzlich vor ihr, diesmal hatte er ein Glas Limonade in der Hand. Er reichte es Emeline.
Lavinia sah ihn mit gerunzelter Stirn an. »Haben Sie Neville gesehen, in dem Raum, in dem das Büffet steht?«
»Nein.« Anthony wandte sich um und blickte über die Menge. »Lady Neville habe ich auf meinem Weg hierher gesehen, aber ihren Mann nicht. Ich dachte, Sie wollten ihn im Auge behalten, während ich die Limonade holte.«
»Er ist verschwunden.«
Anthonys Gesicht spannte sich an. Sie wusste, dass er über diese Neuigkeit genauso wenig glücklich war wie sie.
»Sind Sie sicher?«, fragte er.
»Ja. Das gefällt mir nicht«, erklärte Lavinia ihm leise. »Es ist beinahe halb zwei. Tobias hätte mit seiner Arbeit längst fertig sein müssen und mittlerweile hier sein sollen.«
»Da stimme ich Ihnen zu«, meinte Anthony ernst.
»Ich habe ihm gesagt, dass er Sie heute Abend mitnehmen sollte.«
Anthony nickte. »Das haben Sie heute Abend schon zwei oder drei Mal erwähnt.«
»Er hört nie auf mich.«
Anthony zuckte zusammen. »Wenn es Sie tröstet, Tobias tut immer nur das, was er will.«
»Das ist auf keinen Fall eine Entschuldigung. Wir sind in dieser Sache Partner. Er sollte auf mich hören, wenn ich meine Meinung sage und ihm einen Rat gebe. Ich werde ihm einige Dinge zu sagen haben, wenn er sich endlich entscheidet, hier zu erscheinen.«
Anthony zögerte. »Vielleicht hat er unterwegs in seinem Club Halt gemacht, um sich mit einem Freund zu unterhalten.«
»Und wenn er nicht dort ist?«
»Wir müssen vernünftig sein. Die Suche hat vielleicht länger gedauert, als Tobias erwartet hat.« Anthony hielt inne und runzelte die Stirn. »Ich könnte mir eine Mietkutsche suchen und an dem Haus vorbeifahren, um nachzusehen, ob alles ruhig ist. Wenn er nicht dort ist, könnte ich in seinem Club nach ihm suchen.«
Sie war nicht die Einzige, die sich mittlerweile Sorgen machte, überlegte Lavinia. Anthony versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren, doch auch er war unsicher.
»Ein ausgezeichneter Gedanke«, meinte sie. »Wenn man bedenkt, wie
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