Lavinia & Tobais 01 - Liebe wider Willen
animalischen Magnetismus als Partnerin. Womit habe ich das nur verdient?«
Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln. »Ich freue mich, dass es Sie belustigt, Sir, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass ich Mrs. Doves Geschichte glaube.« Sie hielt inne. »Immerhin das meiste davon.«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich gebe zu, dass sie wahrscheinlich nicht alles erfunden hat. Ich nehme an, sie ist klug genug zu wissen, dass die Geschichte viel glaubwürdiger klingt, wenn sie Tatsachen mit erfundenen Dingen mischt.«
»Sie sind sehr zynisch, Mr March.«
»Das ist in diesem Geschäft unerlässlich.«
Sie zog die Augen zusammen. »Eines kann ich Ihnen mit Sicherheit sagen. Ihren verstorbenen Mann hat sie wirklich geliebt.«
»Wenn Sie noch länger in diesem Geschäft bleiben, dann werden Sie irgendwann lernen, dass alle Klienten lügen, wenn es um das Thema Liebe geht.«
Die Kutsche hielt an, ehe sie noch auf seine Bemerkung antworten konnte. Tobias öffnete die Tür und machte sich ans Aussteigen. Er sprang nicht leichtfüßig auf die Straße, bemerkte sie. Er stieg eher aus der Kutsche mit der Haltung eines Mannes, der Schmerzen hat. Doch als er sich umwandte, um ihr zu helfen, war sein Gesicht ausdruckslos.
Ein kleiner Schauer rann durch ihren Körper, als sie die Kraft seiner Hand fühlte. Sie erlaubte ihm, sie in den Schutz eines Hauseinganges zu führen, und versuchte, diese Tatsache zu überspielen, indem sie so tat, als interessiere sie ihre Umgebung außerordentlich.
Die Half Crescent Lane war eine enge, gewundene Straße. Sie führte durch ein schmales, schattiges Tal, das von Mauern gebildet wurde. Wahrscheinlich schien hier niemals die Sonne, doch an einem Tag wie diesem lag über allem eine abscheuliche Düsterkeit.
Tobias klopfte laut an eine Tür. Von innen hörte man Schritte. Einen Augenblick später erschien eine ältliche Haushälterin. Sie sah Tobias misstrauisch an.
»Was möchten Sie?«, fragte sie mit sehr lauter Stimme, wie jemand, der schlecht hört.
Tobias zuckte zusammen und trat einen Schritt zurück. »Wir möchten Mrs. Vaughn sprechen.«
Die Haushälterin hielt die Hand an ihr Ohr. »Was?«
»Wir möchten mit der Wachs-Modelliererin sprechen«, sagte Lavinia und betonte ihre Worte sehr sorgfältig.
»Dann müssen Sie eine Eintrittskarte kaufen«, erklärte die Haushälterin noch lauter. » Mrs. Vaughn lässt niemanden mehr in ihre Galerie ohne eine Eintrittskarte. Zu viele Menschen nutzen das aus, müssen Sie wissen. Sie behaupten, dass sie ihr einen Auftrag geben wollen, doch wenn sie erst einmal drin sind, sehen sie sich nur die Skulpturen an und verschwinden wieder.«
»Wir sind nicht gekommen, um uns die Wachsarbeiten anzusehen«, sagte Lavinia laut. »Wir möchten mit ihr über etwas anderes sprechen.«
»Ich habe schon alle Entschuldigungen gehört. Bei mir klappt das nicht mehr. Niemand kommt rein ohne eine Eintrittskarte.«
»Also gut.« Tobias ließ ein paar Münzen in die Hand der Frau fallen. »Reicht das für zwei Eintrittskarten?«
Die Haushälterin betrachtete die Münzen. »Das reicht, Sir, das reicht.«
Sie machte einen Schritt zurück. Lavinia trat in den kleinen, nur schwach erleuchteten Flur. Tobias folgte ihr. Als sich die Tür hinter ihm schloss, wurden die Schatten noch tiefer.
Die Haushälterin verschwand durch einen dunklen Korridor. »Hier entlang, bitte.«
Lavinia warf Tobias einen Blick zu. Er machte eine kleine Bewegung mit der Hand und bedeutete ihr, vor ihm her durch den Flur zu gehen.
Ohne ein Wort folgten sie der Haushälterin bis zum Ende des Flurs. Mit einer theatralischen Geste öffnete sie eine Tür. »Gehen Sie nur rein«, rief sie. » Mrs. Vaughn wird gleich bei Ihnen sein.«
»Danke.« Lavinia trat in das nur schwach erleuchtete Zimmer und blieb abrupt stehen, als sie feststellte, dass eine Anzahl Leute dort versammelt waren. »Ich wusste gar nicht, dass Mrs. Vaughn Gäste hat.«
Die Haushälterin lachte und schloss die Tür, sie ließ Tobias und Lavinia in dem überfüllten Raum zurück.
Schwere Vorhänge waren vor die beiden schmalen Fenster gezogen und hielten das wenige Licht ab, das von außen in das Zimmer gefallen wäre. Das einzige Licht kam von zwei dünnen Kerzen in dem großen, reich verzierten Kandelaber, der auf dem Klavier stand. Es lag ein eisiger Hauch über allem. Er schien von den tiefen Schatten um die Besucher herum zu kommen. Lavinia stellte fest, dass im Kamin kein Feuer brannte.
Die anderen Gäste
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