Lavinia & Tobais 01 - Liebe wider Willen
Geschichte weiterzuerzählen.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihnen eine Frage stelle?«, meinte sie nach einer Weile.
»Was für eine Frage?«
»Ich habe mich gefragt, warum Mr March humpelt. Ich bin ganz sicher, dass er diese Behinderung noch nicht hatte, als ich ihn in Rom getroffen habe.«
Anthony blickte überrascht auf. »Hat er Ihnen denn nicht erzählt, was geschehen ist?« Er verzog den Mund. »Nein, so wie ich Tobias kenne, hat er das nicht getan. Carlisle hat ihm an diesem Abend eine Kugel in das Bein gejagt. Es war ein Kampf auf Leben und Tod. Tobias hat ihn nur knapp überlebt. Er hat einige Wochen gebraucht, um sich von den Auswirkungen der Wunde zu erholen. Ich nehme an, er wird noch lange humpeln, vielleicht sogar den Rest seines Lebens.«
Benommen starrte Lavinia ihn an.
»Ich verstehe«, flüsterte sie schließlich. »Das habe ich nicht gewusst. Gütiger Himmel.«
Wieder gab es ein ausgedehntes Schweigen.
»Warum erzählen Sie mir all das?«, fragte sie schließlich.
Anthony zuckte ein wenig zusammen, dann sah er sie an. »Ich wollte, dass Sie ihn verstehen.«
»Was soll ich verstehen?«
»Er ist nicht wie andere Männer.«
»Glauben Sie mir, das weiß ich ganz genau.«
»Es ist nur so, dass er seinen eigenen Weg in der Welt gehen muss, müssen Sie wissen«, sprach Anthony ernsthaft weiter. »Ihm fehlt der richtige Schliff.«
Lavinia lächelte. »Irgendetwas sagt mir, dass kein Schliff in der Welt den Charakter von Mr March verändern würde.«
»Was ich zu erklären versuche ist, dass er viele ausgezeichnete Charakterzüge besitzt, auch wenn seine Manieren nicht immer so sind, wie sie vielleicht sein sollten, wenn er sich in der Gesellschaft von Damen befindet.«
»Bitte, machen Sie sich nicht die Mühe, mir eine Liste all der ausgezeichneten Charakterzüge von Mr March zu geben. Sie würden uns wahrscheinlich beide langweilen.«
»Ich fürchte, dass Sie sein aufbrausendes Wesen und seinen Mangel an Manieren ab und zu nicht richtig einzuschätzen wissen.«
Lavinia legte die Hände flach auf die Platte des Schreibtisches und stand auf. »Mr Sinclair, ich versichere Ihnen, dass ich mit Mr Marchs Temperament und seinen mangelhaften Manieren recht gut umzugehen weiß.«
»Wirklich?«
»Aber sicher, Sir.« Sie kam hinter ihrem Schreibtisch herum, um ihn zur Tür zu begleiten. »Wie könnte es auch anders sein? Ich selbst besitze genau die gleichen fehlerhaften Charakterzüge. Da können Sie jeden fragen, der mich kennt.«
Hewlett-Packard
16. Kapitel
Sie hatte gehofft, dass sie seine Meinung würde ändern können, doch sie war schon zu lange in diesem Geschäft, um eine so glückliche Fügung erwarten zu können. Ihrer Erfahrung nach setzte kaum ein Gentleman eine Affäre fort, wenn er die Verbindung mit seiner Geliebten erst einmal beendet hatte. Die reichen Schwerenöter der Gesellschaft langweilten sich schnell, überlegte sie. Sie suchten immer nach noch modischeren Angehörigen der Gesellschaft, die sie die Halbwelt nannten.
Doch ab und zu begriff ein weiser Mann, dass er es zu eilig gehabt hatte, eine Beziehung zu beenden.
Sally lächelte zufrieden und ließ die Eintrittskarte in die Tasche fallen, die sie in ihren Umhang genäht hatte. Es war ein sehr feiner Umhang, ein Geschenk von ihm. Er war sehr großzügig zu ihr gewesen. Er hatte die Miete ihres hübschen kleinen Hauses gezahlt, in dem sie die letzten Monate gewohnt hatte, und er hatte ihr auch einigen hübschen Schmuck geschenkt. Sie verwahrte das Armband und die Ohrringe an einem sicheren Ort in ihrem Schlafzimmer und wusste sehr gut, dass dieser Schmuck alles war, was zwischen ihr und einer Rückkehr in das Bordell stand, in dem er sie gefunden hatte.
Sie weigerte sich, diesen Schmuck zu verkaufen, um die Miete zu bezahlen. Dies waren ihre besten Jahre, in denen sie arbeiten konnte, und sie würden nicht mehr lange dauern. Sie hatte vor, sehr fleißig zu sein. Ihr Ziel war es, möglichst viele wertvolle Geschenke von reichen Männern zu sammeln. Wenn ihr gutes Aussehen und ihre Jugend verschwunden waren, würde sie diese Andenken dazu nutzen, sich einen gemütlichen Ruhestand zu erlauben.
Sie war stolz darauf, wie geschäftsmäßig sie ihre Finanzen betrachtete. Sie hatte hart gearbeitet, um von den Straßen von Covent Garden wegzukommen, wo man die Kunden in Kutschen oder im nächsten Hauseingang bedienen musste. Das Leben war sehr gefährlich und oft brutal kurz in diesem Beruf. Sie hatte sich in die
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