Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
gern unterwegs trinken«, sagte sie trocken. »Und dazu einen heißen Johannisbeermuff in . Den Becher können Sie zurückbringen, wenn Sie zum Frühstück kommen.«
»Mrs Chilton, Sie sind ein Engel.« Er nahm Becher und Muffin und ging zur Haustür. »In einer guten Stunde komme ich zurück.«
»Ja, das bezweifle ich nicht.« Sie folgte ihm durch den Gang und griff um ihn herum, um die Tür zu öffnen. Mit einem viel sagenden Blick über die Schul ter zu der Treppe ins obere Ge schoss kniff sie die Augen zusammen.
»So geht es nicht weiter, Sir«, mahnte sie leise. »Wir haben eine junge, unverheiratete Dame im Haus. Es ist unmöglich.«
»Das ist mir klar, Mrs Chilton.« Er trat hinaus auf die oberste Stufe. »Schöner Tag, nicht?«
»Der hält nicht an«, sagte sie. »Ein Gewitter ist im Anzug. Ich spüre es.«
Sie machte die Tür ganz leise, aber mit Absicht vor seiner Nase zu.
Er pustete den Dampf vom Tee, biss vom warmen Muffin ab und ging die Stufen hinunter.
Als er ein bezeichnendes Prickeln zwischen den Schultern spürte, warf er einen Blick zum Obergeschoss von Nummer 7. Lavinia blickte in einen geblümten Umhang gehüllt von ihrem Schlafzimmer auf ihn hinunter. Er konnte das weiße Spitzenhäubchen auf dem zerzausten roten Haar erkennen.
Sie warf ihm eine Kusshand zu. Mrs Chilton irrt sich mit dem Unwetter, dachte er. Die Vögel zwitscherten und die Sonne schien. Am Sommerhimmel segelten nur ein paar aufgeplusterte Wolken. Ein schöner Tag stand bevor.
Auch zwei Stunden später, als Mrs Chilton den Frühstückstisch abräumte, schien die Sonne ungetrübt.
»Ich behaupte noch immer, dass sich ein Gewitter zusammenbraut«, murmelte sie, als sie an Tobias' Stuhl vorüberlief.
Lavinia blickte von ihrer Zeitung auf und sah in Mrs Chiltons Augen ein eigenartig stählernes Blitzen.
»Das kann nicht schaden. Ein bisschen Regen wird die Straßen säubern.« Tobias bediente sich von der Johannisbeermarmelade. »Die Marmelade wird knapp, Mrs Chilton.«
»Aber gar nicht.« Mrs Chilton machte Anstalten, mit einem beladenen Tablett in Händen rückwärts durch die Tür in die Küche zu gehen. »Ich habe noch drei Töpfe vorrätig. Das wird wohl für ein paar Tage reichen.«
»Das bezweifle ich.« Tobias strich die Marmelade auf eine Scheibe Toast. »Drei Töpfe schaffe ich spielend in kürzester Zeit, Mrs Chilton.«
»An Ihrer Stelle würde ich mit den drei Töpfen sparsam umgehen«, sagte Mrs Chilton mit besonderer Betonung. »Ich weiß nicht, wann ich wieder Zeit finde, Marmelade zu kochen.«
Damit drängelte sie durch die Tür und verschwand in der Küche.
Tobias biss von seinem Toast ab.
Lavinia raschelte ein wenig mit der Zeitung und sah ihn unfreundlich an. »Hast du etwas gesagt oder getan, das Mrs Chilton verärgert hat, als du zum Frühstück kamst? Sie scheint mir heute so angriffslustig zu sein.«
»Ja, das fiel mir auch auf.« Emeline goss sich Kaffee ein. »Richtig stachelig ist sie.«
»Ich möchte nicht, dass du meine Haushälterin verärgerst, Tobias«, warnte Lavinia.
Er sah sie mit dem Ausdruck gekränkter Unschuld an. »Ich weiß nicht, wovon du redest. Du kannst sicher sein, dass ich nichts Ungehöriges zu Mrs Chilton sagte. Das würde mir nicht im Traum einfallen. Tatsächlich mag ich sie sehr. Das weißt du.«
»Hmm.« Nicht befriedigt, aber ratlos, was sie in dieser Sache tun sollte, widmete Lavinia sich erneut ihrer Zeitung.
Sie wusste nicht, was sie von der merkwürdigen Beziehung halten sollte, die zwischen Tobias und der Haushälterin herrschte. Eigentlich hatte sie den Eindruck gewonnen, dass die beiden in den letzten Wochen zu einem Einvernehmen gelangt waren. Tatsächlich hatte es ausgesehen, als sei Mrs Chiltons Haltung Tobias gegenüber nachsichtiger geworden, während er dazu neigte, sie abwechselnd aufzuziehen und ihre Kochkünste zu loben, besonders jene Köstlichkeiten, die sie mit Johannisbeeren herstellte.
Doch seit der Rückkehr von Beaumont Castle hatte sich alles geändert. Mrs Chilton benahm sich nicht mehr so gutmütig und großzügig zu Tobias. Es war, als erwarte sie, er würde etwas sagen oder tun. Bislang aber hatte er sie offensichtlich enttäuscht.
Eisiger Schreck durchfuhr sie. Wieder senkte sie die Zeitung mit einem entschiedenen Rascheln. »Tobias, ich hoffe sehr, dass du nicht etwa planst, mir Mrs Chilton abspenstig zu machen.«
Diese Idee schien ihn echt zu überraschen. »Würde mir nie einfallen«, murmelte er, an einem mit Marmelade
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