Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
spürte, fragte sich, ob Berufsagenten sich je an die Erregung gewöhnten, die das Wissen mit sich brachte, dass man einer Lösung nahe war.
Die gedämpfte und gezügelte Spannung, die von Tobias ausging, verriet ihr, dass er ähnlich empfand. Eventuell war dieses Schwindel erregende Gefühl ein unabdingbares Elixier in diesem Beruf.
»Soll ich das Schlafzimmer übernehmen?«, fragte sie.
»Ja. Und vergiss den Schrank nicht.« Tobias öffnete ein Schubfach. »Und beeil dich. Untertags lasse ich mich nur sehr ungern auf diese Dinge ein.«
»Ja, ich kenne deine Vorlieben.« Sie betrat den kleinen Raum und ging daran, die Schubfächer des Nachttischchens aufzuziehen. »Ich nehme an, man darf die Hoffnungen nicht zu hoch spannen und erwarten, auf eine blonde Perücke und Frauenkleider zu stoßen?«
»Wer weiß? Irgendwo muss er die verdammte Perücke und die Kleider verbergen. Es wird Zeit, dass wir bei diesem Fall einmal Glück haben.«
»Wie wahr.« Sie schob das letzte Fach zu und ließ sich auf die Knie nieder, um unter das Bett zu spähen. »Aspasia schien heute Morgen von unseren Folgerungen ziemlich bestürzt. Wärest du nicht zur Stelle gewesen, um sie zu beruhigen, hätte sie mich auf der Stelle entlassen.«
Aspasia hatte mit Unglauben reagiert, als sie ihr eröffneten, dass sie Mr Pierce für den Mörder hielten. Lavinia wusste, dass sie schließlich nur deshalb ihre Meinung geändert hatte, weil Tobias ihr versicherte, er sei von der Schuld des Friseurs überzeugt.
»Sie war mit gutem Recht bestürzt«, sagte Tobias aus dem angrenzenden Raum. »Ich wundere mich ja selbst noch. In meinem Leben bin ich schon vielen Schurken begegnet, dies aber ist der erste Friseur, den ich des Mordes verdächtige.«
Lavinia stand auf und ging zum Schrank. Sie öffnete die Tür und musterte die Anordnung von Hemden und penibel gebügelten Halstüchern. »Eigentlich ist es die ideale Tarnung für einen Berufskiller, der sich Zutritt zur Gesellschaft verschaffen will. Ein Friseur wird in die exklusivsten Häuser eingeladen, und niemand denkt sich etwas dabei, wenn er das Schlafgemach einer Dame oder ihren Ankleideraum betritt.«
»Mir fällt dazu ein, dass ein verdammter Lockenkräusler leichter in dein Schlafzimmer gelangt als ich«, grollte Tobias. »Ich muss Ränke schmieden und planen und warten, bis Emeline sich zu einem Besuch bei Priscilla bequemt und Mrs Chilton zu einer Einkaufsexpedition aufbricht.«
»Das ist wohl kaum das Gleiche, Tobias.«
»Es ist verdammt unfair, ganz zu schweigen davon, dass es sehr unbequem ist. Ich wollte ohnehin mit dir darüber reden.«
Ihre Finger erstarrten am Knauf der Schranktür. Sie wartete atemlos.
Nun trat im anderen Raum eine kleine Pause ein.
»Hm, hm, hm«, murmelte Tobias.
Sie atmete tief durch und ließ den Knauf los. Was sie eben in den letzten Sekunden durchgemacht hatte, konnte sie nicht definieren. Erleichterung? Enttäuschung?
Was habe ich erwartet?, fragte sie sich. Es war sehr unwahrscheinlich, dass Tobias das Thema einer Heirat mitten in der Durchsuchung der Behausung eines Mörders anschneiden würde.
Sie ging an die Tür und sah, dass er sich auf sein gesundes Knie niedergelassen hatte und den Teppich an einer Seite anhob, um die Dielenbretter aufmerksam zu studieren.
»Hast du etwas gefunden?«, flüsterte sie.
»Vielleicht.«
Er nahm einen der Dietriche aus der Lederhülle und schob ihn in den langen Spalt zwischen zwei Brettern.
»Hier könnte es im Boden eine Öffnung geben.« Er stocherte vorsichtig mit dem Dietrich in der Ritze. »Würde mich nicht wundern. Eiland versteckte seinen Safe unter dem Teppich und den Bodenbrettern seines Arbeitszimmers. Dort fand ich auch sein Tagebuch. Eventuell ahmt dieser neue Mementomori- Mann ihn in allen Einzelheiten nach.«
»Tobias, wie kann er so viele Dinge über Eiland wissen? Die Ringe, die Art der Morde. Und jetzt sogar dieselbe Art von Versteck? Das ist unheimlich. Er muss Eiland wirklich sehr gut gekannt haben.«
»Das ist genau die Theorie, an der ich feile.« Er wandte nun mehr Kraft auf. »Jack hat heute für mich ein Treffen mit jemandem arrangiert, der mir etwas über Eilands Vergangenheit sagen könnte.«
Ein leises Knarren, dann schwang ein Teil des Bodens hoch.
»O Gott.« Sie lief hin und ging in die Knie.
Zusammen blickten sie in den kleinen Raum unter ihnen.
»Leer.« Tobias machte aus seiner Enttäuschung kein Hehl. Er schloss die kleine Falltür, stand auf und schob den Teppich
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