Lavinia & Tobais 03 - Skandal um Mitternacht
Gentlemen mit einer Vorliebe für Blondinen.
Dazu kam, dass ihre Freundin auch über viele andere Vorzüge verfügte. Neben ihrem lieben, charmanten Wesen besaß Priscilla hübsche, feine Züge und eine anmutig volle, gerundete Figur.
Nach Emelines heimlicher Überzeugung war es jammerschade, dass Lady Wortham darauf bestand, ihre Tochter ausschließlich in Rosa zu kleiden. Es war eine Farbe, die ihr nicht besonders schmeichelte.
Was Emeline betraf, waren die besten Züge ihrer Freundin ihre Intelligenz, ihr herrlicher Humor und gesunder Menschenverstand. Dies waren die Faktoren, die eine echte Freundschaft zwischen ihnen hatten erwachsen lassen.
Eigentlich hätten sie einander als Rivalinnen sehen müssen. Ihre Freundschaft war von Lady Wortham aus äußerst praktischen Gründen angebahnt und gefördert worden. Der Umgang ihrer Tochter mit Emeline fand ihre Billigung vor allem deshalb, weil sie glaubte, dass Priscillas Aussehen durch den Gegensatz zu ihrer Freundin vorteilhaft betont würde.
Emeline war klar, dass ihr einziges modisches Attribut ihr dichtes dunkles Haar war. In anderen Punkten entsprach sie den Richtlinien wahrer Stilexperten ganz und gar nicht. Sie war zu groß und zu schlank und im Wesen zu direkt. Letzteres war kein Zufall, da sie sich ihre Tante mit Absicht zum Vorbild nahm. Lavinia hielt es nie für nötig, ihre Intelligenz zu verbergen, auch zögerte sie nicht, ihre Meinung zu äußern.
»Nach diesen explosiven Demonstrationen brauche ich dringend Kühlung in Form von Eiskrem«, kündigte Anthony an und stand auf. »Kann ich euch beide überreden, mir Gesellschaft zu leisten?«
»Mich brauchst du kein zweites Mal zu fragen«, versicherte Emeline ihm. »Hier drinnen ist es sehr warm.«
»Eiskrem wäre wundervoll«, sagte Priscilla. »Es ist richtig heiß. Bis zu diesem Moment ist es mir gar nicht aufgefallen.«
Emeline lachte. »Weil dich die Wunder von Professor Kirks Vorführung so fesselten.«
Anthony trat zurück, um Emeline und Priscilla im Gang zum vorderen Teil des Saales den Vortritt zu lassen. Da mehrere Leute gleichzeitig ihre Sitze verließen und der Tür zustrebten, herrschte dichtes Gedränge.
Als gleich darauf der Weg wieder frei war, erblickte Emeline einen Mann, der lässig mit einer Schulter an die Wand gelehnt dastand. Ein Gefühl der Unruhe regte sich in ihr. Es war in letzter Zeit nicht das erste Mal, dass Dominic Hood auftauchte, wenn sie in der Nähe war.
»Verdammt«, murmelte Anthony hinter ihr. »Hood ist auch da.«
Priscilla war die Einzige, die sich unbefangen freute, ihn zu sehen. »Ich wusste gar nicht, dass Mr Hood naturwissenschaftlich interessiert ist.«
»Was für eine erstaunliche Überraschung«, grollte Anthony.
»Beruhige dich«, mahnte Emeline leise. »Ich weiß zwar nicht, was der Grund der Abneigung zwischen dir und Mr Hood ist, doch möchte ich heute keine peinliche Szene. Ist das klar?«
»Was sich gestern im Museum zutrug, war nicht meine Schuld.«
»Mr Hood hat den Stein unglücklich ins Rollen gebracht, als er uns seine Meinung über die Statue von Herkules und der Hydra praktisch aufdrängte, aber du, mein Bester, hast alles noch verschlimmert, als du ihn belehrtest, dass er nichts von Kunst verstünde.«
»Es ist die Wahrheit«, sagte Anthony mit grimmiger Überzeugung. »Hood hat kein Auge für Kunst und Altertümer.«
»Das mag ja sein, doch zeugt es von schlechten Manieren, es ihm so unverblümt ins Gesicht zu sagen.«
»Er hätte seine Bemerkungen für sich behalten sollen. Ich möchte wissen, ob er auf naturwissenschaftlichem Gebiet auch so unwissend ist?«
»Anthony, es ist mein Ernst. Es wird keine Szene geben. Hast du verstanden?«
Sein kaltes Lächeln erinnerte unangenehm an jenes von Mr March.
»Du hast mein Wort, dass ich in der Öffentlichkeit keinen Streit anfange«, sagte er.
Es war keine Zeit, ihn mit den Einzelheiten dieses zu genau formulierten Versprechens festzunageln, da sie die Tür fast erreicht hatten. Emeline machte sich an ihren Hutbändern zu schaffen und nutzte den Moment, um Dominic Hood genauer zu studieren. Nicht zum ersten Mal drängte sich ihr die Frage auf, was der Grund für die plötzlich aufgeflammte Feindschaft zwischen ihm und Anthony sein mochte.
Ihrer Meinung nach hätten sie Freunde werden können, da sie oberflächlich gesehen viel gemeinsam hatten. So war Dominic gleich alt wie Anthony, der vergangenen Monat zweiundzwanzig geworden war. Sie waren von gleicher Größe und von
Weitere Kostenlose Bücher