LaVyrle Spencer
Bis gestern habe ich dieser
Tatsache nie Bedeutung beigemessen, doch heute muß ich sie in Betracht ziehen.
Clay, durch eine Geschichte wie diese könnte man dir die Zulassung zur Prüfung
verweigern! Ist dir das eigentlich klargeworden?«
Clays Gesichtsausdruck machte jeden
Kommentar überflüssig.
»Nur einer dieser Erzkonservativen
im Prüfungsausschuß, der eine Abtreibung noch immer als unmoralisch betrachtet,
mag gegen dich stimmen, und das wäre das Ende deiner beruflichen Karriere. In
weniger als einem Jahr bist du an deinem Ziel angelangt. Soll das alles umsonst
gewesen sein?« Claiborne ging zu seinem Schreibtisch, griff zerstreut nach
einem Stift und sah dann seinem Sohn in die Augen. »Da gibt es noch einen
Punkt, den ich nicht unerwähnt lassen möchte. Ich gehöre zum Vorstand zweier
bedeutender Gesellschaften, und diese Positionen gereichen mir bei meiner
Kandidatur zum Generalstaatsanwalt zum Vorteil. Ich möchte nicht, daß an dem
Namen Forrester ein Makel haftet, ob es sich nun um dich oder mich handelt. Und
falls ich ernannt werde, zähle ich auf dich, während meiner Amtszeit die
Kanzlei weiterzuführen. Also wissen wir alle, was auf dem Spiel steht.« Zur
Betonung seiner Worte ließ Claiborne den Stift auf den Schreibtisch fallen. Es
war klar, was seine Worte bedeuteten:
Clay würde niemals in der Kanzlei
seines Vaters arbeiten können. Und darauf hatten sich alle Pläne für die
Zukunft gegründet. Über zusammengelegten Fingerspitzen sah Claiborne seinen
Sohn an und sagte abschließend: »Deine Entscheidung, Clay, betrifft uns alle.«
Im gleichen Augenblick stapfte Herb Anderson in Catherines
Zimmer wie ein gefangenes Tier hin und her.
»Diese unverschämte Person! Ich
breche ihr jeden Knochen im Leib, wenn sie nicht in diesem Moment mit Forrester
über Geld redet!«
Wütend trat
er gegen eine offenstehende leere Schublade. Ada stand in der Tür und stammelte
weinerlich: »Wa ... warum glaubst du, ist ... ist sie gegangen, Herb?«
»Wie
soll ich das, verdammt noch mal, wissen?« schrie er. »Sie sagt mir ja nie was.
Hätte sie das getan, würde sie jetzt nicht in der Scheiße stecken, denn diesen
Zuckerbubi hätte ich mir schon vorher vorgeknöpft.«
»Vielleicht
hat er sie bei sich aufgenommen?«
Er marschierte zum Telefon. Auf dem
Weg dorthin stieß er Ada rüde aus dem Weg. Während er wählte, fluchte er
unablässig.
Als das Telefon läutete, nahm Clay
ab. Anderson bellte: »Wo, zum Teufel, steckt meine Tochter, Zuckerbubi?« Die
drei waren noch immer in Claibornes Arbeitszimmer. »Sie ist nicht hier.«
Zwischen Clays Antworten gab es lange Pausen. »Ich weiß es nicht ... Seit ich
sie gestern abend nach Hause brachte, habe ich sie nicht mehr gesehen ... Jetzt
hören Sie mir mal gut zu, Anderson! Ich habe ihr gesagt, ich würde ihr Geld
geben, aber das hat sie abgelehnt. Ich weiß nicht, was Sie sonst noch von mir
erwarten ... Das ist Erpressung, Anderson, und wird bestraft! Ich bin bereit,
mit Ihrer Tochter zu sprechen, aber nicht mit einem Minderbemittelten, wie Sie es sind. Ich sage
es nur noch einmal, Anderson, lassen Sie uns in Ruhe! Habe ich mich klar
ausgedrückt? Oh, Ihre Sorge ist wirklich rührend ... Ich habe keine Ahnung ...«
Dann hielt Clay den Hörer weit von seinem Ohr, während Herb Andersons Stimme
weiter plärrte. Als Clay auflegte, war er wütend, aber auch besorgt. »Wie es
scheint, ist sie verschwunden«, sagte er und ließ sich in den
Schreibtischsessel seines Vaters fallen.
»Soviel habe ich mitbekommen«,
meinte Claiborne. »Der Mann ist verrückt.«
»Da hast du recht. Und er wird es
nicht bei diesem unverschämten Anruf belassen. Meinst du nicht auch?«
»Wie soll ich das wissen?« Clay
sprang auf, ging rastlos im Zimmer umher, blieb dann stehen und starrte
seufzend an die Decke. »Er hat mindestens vier verschiedene Drohungen
ausgesprochen.«
»Hast du eine Ahnung, wo das Mädchen
sein könnte?« fragte sein Vater.
Ȇberhaupt
keine. Sie hat nur gesagt, daß sie Pläne hätte. Ich wußte nicht, daß sie so
schnell verschwinden würde.«
»Kennst du Freunde von ihr?«
»Nur ihre
Cousine Bobbi, eine Freundin von Stu.«
»Ich schlage vor, du setzt dich mit
ihr so bald wie möglich in Verbindung. Vielleicht weiß sie, wo Catherine ist.
Sicher haben wir nicht zum letztenmal von Anderson gehört. Ich will, daß das
aufhört, ehe etwas davon in die Öffentlichkeit dringt.«
Inzwischen steckte die Schwester einer
Kommilitonin von Bobbi in Omaha,
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