LaVyrle Spencer
wenn es scheinheilig klingen
sollte, muß ich es sagen: Ihre Eltern sind sicher aufrechte und anständige
Menschen, deshalb möchte ich sie nicht durch eine Ehe täuschen, die nur auf dem
Papier besteht, selbst wenn meine Lage dadurch einfacher wird.«
»Gut, Sie haben recht. Es ist nicht
ehrlich, und das stört mich. Normalerweise lüge ich sie nicht an, auch wenn Sie
mir das nicht glauben. Aber meine Eltern handeln auch in ihrem eigenen
Interesse. Sie zwingen mich, meinen Teil der Verantwortung zu übernehmen, was
ich tue.«
»Aber ich kann nicht jemanden
heiraten, den ich nicht liebe. Ich habe mein ganzes Leben in einem Haus
zugebracht, wo nur Haß herrschte.«
»Ich verlange keine Liebe. Ich
möchte nur, daß Sie sich diesen vernünftigen Vorschlag gut überlegen, denn wir
beide würden davon profitieren. Doch ehe wir weiterreden, muß ich Ihnen noch
eine Frage stellen: Wollen Sie das Kind zur Adoption freigeben oder nicht?«
»Die Frage ist nicht fair, und Sie
wissen es. Sie durften sie mir nicht stellen, nachdem ich Ihnen von meiner
Unterredung mit Mrs. Tollefson erzählt habe.«
Er spürte, daß sie nachgab, und
drängte weiter. »Ich will doch nichts anderes, als Sie auch wollen,
Catherine. Ich will nicht, daß das Kind bei fremden Menschen aufwächst und ich
nie die Chance habe, es jemals kennenzulernen. Es bei Ihnen zu wissen wäre mir
eine große Beruhigung. Ist das denn so ein schlechter Handel?«
Catherine
schwieg.
»Könnten
Sie sich denn wirklich von ihm trennen?«
»Ich weiß es nicht. Aber dieses
Arrangement ist unehrlich«, fügte sie lasch hinzu. Dann fragte sie zu ihrer
eigenen Überraschung: »Wann sind die Examina?«
»Irgendwann im Juli. Das genaue
Datum weiß ich noch nicht.«
Sie hatte ihren Kopf in ihre Hand
sinken lassen, als wäre sie unendlich müde.
Er wollte ihr Mut machen und legte
kurz seine Hand auf ihren Arm und drückte ihn.
»Denken Sie
darüber nach«, sagte er ruhig.
»Ich will Sie nicht heiraten, Clay«,
entgegnete sie und sah ihn mit ihren schönen, aber traurigen Augen an.
»Ich weiß. Aber es soll ja keine
richtige Ehe sein. Nur ein Mittel zum Zweck.«
»Und nach Ihrem Examen leiten Sie
sofort die Scheidung ein? Und versuchen auch nicht, mir das Kind mit
irgendwelchen juristischen Tricks zu nehmen?«
»Nein,
Catherine. Ich gebe Ihnen mein Wort.«
»Würden wir
zusammenleben?«
»In derselben Wohnung, aber nicht
zusammen. Allein um meiner Familie gegenüber den Schein aufrechtzuerhalten,
wäre das nötig.«
»Ich bin
sehr müde«, sagte sie.
»Viel mehr gibt es heute nicht zu
sagen. Sie sollen nur wissen, daß ich Ihnen aus dem Weg gehen würde, falls Sie
mich heiraten. Ich würde Sie zu nichts zwingen. Ich weiß, daß Sie mich nicht
mögen.«
»Das stimmt nicht, Clay. Ich kenne
Sie ja kaum. Ich muß das alles überschlafen.«
»Dann
ziehen Sie meinen Vorschlag also in Betracht?«
»Ja. Und ganz gegen mein
Gefühl.«
Sie fuhren schweigend zum Horizons zurück. Als Clay am Bordstein hielt, sagte er: »Ich könnte Sie morgen abend
zur selben Zeit abholen.«
»Warum
rufen Sie nicht einfach an?«
»Ach, da
hören doch alle mit.«
Er hatte
recht, deshalb stimmte sie zu.
Er begleitete sie zur Tür, und als
sie unter dem trüben Licht der Lampe standen, sah sie ihn an und sagte: »Ich
weiß, daß Sie seit langem mit einer gewissen Jill Magnusson befreundet sind,
und ...« Sie suchte nach Worten, um das, was sie sagen wollte, auszudrücken,
doch sein plötzlich starr gewordener Gesichtsausdruck machte ihr das Sprechen
unmöglich. Dann öffnete er die Tür und sagte nur: »Sie gehen jetzt besser ins
Haus.«
Er drehte sich auf dem Absatz um und
lief zu seinem Wagen. Als sie die Rücklichter in der Dunkelheit verschwinden
sah, wurde sie sich zum ersten Mal ihrer Schwangerschaft bewußt.
9
Es war
Oktober, und der
folgende Tag war von jener strahlenden Transparenz, wie der
Altweibersommer sie manchmal schenkte, mit kräftigen Farben. Catherine konnte
ihren Blick nicht von den Paaren wenden, die
über den Campus schlenderten. Die ganze Welt schien heute aus Liebenden zu
bestehen. Ohne daß sie es wollte, schweiften ihre Gedanken zu Clay Forrester,
und trotz seiner Worte: nur eine Ehe auf dem Papier fühlte sie, wie ihr
ein Schauder über den Rücken lief. Aber ich bin schwanger, dachte sie, und Clay
liebt mich nicht. Trotzdem hielt ihr Verlangen an.
Zurück im Horizons, zog sich
Catherine sorgfältig um, obwohl sie alles vermied, um verführerisch
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