LaVyrle Spencer
Schachtel in der Hand.
»Oh, wie
schön Sie aussehen«, sagte Inella strahlend. »Ihr Bräutigam bat mich, Ihnen das
zu geben.« Sie hielt Catherine die Schachtel hin. Zögernd griff Catherine
danach. »Was ist darin?«
»Ich weiß es nicht. Warum machen Sie
sie nicht auf und sehen nach?«
»Aber wenn es nun ...« Sie
unterbrach sich gerade noch rechtzeitig, ehe sie das Wort »teuer« ausgesprochen
hatte. Dann streifte sie die Umhüllung ab und öffnete die kleine Schachtel. Ihr
Herz klopfte wie rasend, und ihre Kehle war plötzlich trocken. Darin glitzerte
kein Ring, kein Schmuckstück, sondern ein Schlüssel. Ein Brief lag nicht
dabei. »Wofür ist dieser Schlüssel?«
»Ich weiß
es nicht, Miss Catherine.«
»Aber ...«
Da klopfte es, und Angela trat ins Zimmer. »Es wird Zeit«, mahnte sie.
»Sehen Sie«, Catherine zeigte ihr
den Schlüssel. »Er ist von Clay. Wissen Sie, wofür er ist?«
»Ich habe keine Ahnung. Du wirst bis
nach der Trauung warten müssen. Dann kannst du ihn fragen.«
Catherine
steckte den Schlüssel in ihr Strumpfband. »Geht es Mutter gut?«
»Ja, mach
dir keine Sorgen«, beruhigte Angela sie.
Inella küßte Catherine auf die Wange
und sagte: »Sie sehen bezaubernd aus, Miss Catherine.« Dann ging sie nach
unten. Bobbi gab Catherine das Bukett und streichelte ihre Wange. Die Tür wurde
weit geöffnet. Draußen auf dem Flur reichte Claiborne Angela den Arm. Stu kam
herein, lächelte Catherine aufmunternd zu und führte Bobbi hinaus.
Dann erschien Steve, ihr geliebter
Steve, im Türrahmen. Er sah fantastisch aus in seinem Smoking und streckte ihr
beide Hände entgegen. Catherine wußte, sie mußte dort hinaus gehen, aber sie
blieb wie angewurzelt stehen. Steve spürte ihre Nervosität, verbeugte sich tief
und hielt ihr seinen Arm hin. Catherine wurde plötzlich bewußt, daß die Gäste
unten in der Halle auf sie warteten.
Sie legte ihre Hand auf Steves Arm
und ließ sich mit pochendem Herzen zur Treppe führen. Bei ihrem Anblick erhob
sich bewunderndes Gemurmel, und Catherine wich unwillkürlich einen Schritt
zurück. Die Gesichter unten in der Halle verschwammen vor ihren Augen, und sie
umklammerte in panischer Angst Steves Arm. Er legte seine Hand über ihre Finger
und führte sie die Treppe hinunter in den Salon. Wie in Trance glitt sie durch
die lächelnden Gesichter auf Clay zu. Unzählige Kerzen tauchten das Foyer und
den Salon in goldenes Licht, und die üppige Blumenpracht verströmte betörende
Düfte.
Catherine sah ihre Mutter inmitten
anderer Gäste im Erker stehen. Doch dann hatte sie nur noch Augen für Clay, der
sie mit angespanntem Gesichtsausdruck erwartete.
Gott helfe mir, dachte Catherine,
als ihre Blicke sich begegneten. Gott helfe mir.
Er sah in seinem Smoking
atemberaubend aus. Bei ihrem Anblick ließ er die Hände sinken und befeuchtete
sich die Lippen. Als er an ihre Seite trat, nahm sie ihn nur wie eine Vision
wahr. Sie spürte seine bewundernden Blicke und errötete. Im Hintergrund
spielten Klavier und Harfe.
Das Schauspiel konnte beginnen.
Catherine verlor den Bezug zur Wirklichkeit und war wieder das kleine Mädchen,
das mit Bobbi Hochzeit spielte.
Clay nahm Steves Platz ein, reichte
ihr den Arm und führte sie vor den Geistlichen. Er begann mit samtener Stimme
zu sprechen. Seine Worte schienen nur
Clay und ihr zu gelten. Catherine heftete ihren Blick auf die Lippen des
Geistlichen, als er das Brautpaar an die Bedeutung der Worte Geduld, Liebe und
Treue erinnerte. Catherine spürte, wie sich Clays Armmuskeln anspannten. Der
Geistliche bat alle anwesenden Ehepaare, sich die Hände zu reichen und
gemeinsam mit dem Brautpaar stumm ihre Ehegelübde zu wiederholen. Innerlich
schrie Catherine auf: Nein! Nein! Es ist alles nur Theater!
Sie suchte
wieder Zuflucht in den Spielen ihrer Kindheit. Der Geistliche bat Clay und
Catherine, sich die Hände zu reichen. Zögernd hob sie den Blick und sah Clay
an. Wie sehr er meinem kindlichen Traum von einem zukünftigen Ehemann ähnelt,
dachte sie verwirrt.
Was tun wir hier? wollte sie
schreien. Sieh mich nicht so an. Deine Augen versprechen etwas, das du nicht
halten wirst. Diese Komödie wird nur für die Gäste veranstaltet. Kannst du denn
nicht verstehen, daß vor dir ein Mädchen steht, für das heute ein
Kindheitstraum in Erfüllung gehen sollte? Bitte, Clay, brich mir nicht das
Herz. Ich habe zu lange ohne Liebe gelebt. Du bist nur eine Illusion, und ich
darf mich nicht in dir verlieren.
Doch Clay sah sie
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