Lawinenexpreß
Wargrave war erleichtert zu sehen, daß der völlig verwirrte Eigentümer des Wagens durch das Wäldchen auf den Zug zustolperte, als er selbst anfuhr. Wargrave trat das Gaspedal durch. Die Straße vor ihnen war leer. Die Fahrerin des Mercedes hatte ihren Vorsprung gut genutzt. Vom Rücksicht stellte Elsa eine Frage.
»Du sagtest gerade etwas von einem Signal, als der Expreß anhielt…«
»Alles mit General Scholten von der holländischen Abwehr besprochen – um den Zug anzuhalten, bevor er die Maasbrücke erreicht.«
»Die Maasbrücke?«
Leonides zeigte mit einer Handbewegung auf den Schienenstrang zu ihrer Linken, der jetzt näher an der Straße verlief. »Ist das dein Signal?« Er zeigte auf ein Warnsignal, das auf Rot stand. Plötzlich nahm Wargrave den Fuß vom Gaspedal. Vor ihnen parkten zwei Fahrzeuge am Straßenrand, ein Citroen und ein militärisch aussehender Lastwagen mit einer Persenning über der Ladefläche. Neben dem Citroen stand die kleine, rundliche Gestalt General Max Scholtens, der einen schweren Ledermantel trug.
»Hier ist kein Mercedes vorbeigekommen«, sagte Scholten, nachdem Wargrave ihm erzählt hatte, was passiert war. »Er muß auf einen Feldweg abgebogen sein, der zur Maas hinunterführt – wahrscheinlich zu einer Anlegebrücke, an der ein Boot wartet, um Scharpinsky aufzunehmen und ihn zur Gorkij zu bringen. Es ist alles für Sie bereit…« Er sah Elsa und Anna Markos an, die beide noch auf dem Rücksitz des BMW saßen. »Sind das wirklich die beiden anderen?« fragte er zweifelnd.
»Sie sind genausoviel wert wie Männer«, entgegnete Wargrave scharf. »Eine von ihnen hat vor zwölf Stunden einen kommunistischen Agenten erstochen.«
»Ich bitte um Vergebung«, erwiderte Scholten. »Ich weiß, schließlich, wie loyal Frauen sein können. So, jetzt sollten wir uns lieber auf den Weg machen…«
Wargrave setzte sich wieder ans Steuer des BMW und fuhr hinter dem Citroen des Holländers her. Dahinter folgte der LKW mit der Persenning. Wargrave war durchaus imstande, schnell zu fahren, aber Scholten legte ein beängstigendes Tempo vor. Leonides, der im BMW auf dem Beifahrersitz saß, schloß die Augen, als Scholten wie ein Wahnsinniger die Kurven beinahe auf zwei Rädern nahm und fast mit mehr Glück als Geschicklichkeit auf der Straße blieb. Dann bog er nach rechts auf einen Feldweg ab, der sich zwischen Bäumen hindurchschlängelte, und hielt vor einer Scheune. Alle stiegen aus. Sechs Männer mit Gewehren kamen ihnen entgegen.
»Das ist das Venlo-Team«, sagte Scholten zu Wargrave. »Sie haben die Geiger-Gruppe vernichtet.« Er wandte sich an einen der Männer. »Jan, haben Sie es geschafft, Joop Kist zu retten?«
»Es tut mir sehr leid, nein…« Jan zeigte auf eine Gestalt, die auf dem Boden lag. »Es war dieser große Dreckskerl, der ihn im letzten Augenblick getötet hat. Er muß geahnt haben, daß er einer von uns war…«
»Und was ist mit dem Kerl passiert?«
»Er liegt da drüben…« Jan zeigte auf eine zusammengekrümmte Gestalt, die in der Ecke der Scheune lag. »Ich habe ihm mein halbes Magazin verpaßt…«
»Gut.« Scholten ging zu Joop Kists Leiche hinüber und breitete ihm behutsam ein Taschentuch übers Gesicht. Der Abwehrchef konnte einen Anflug von Bewegung nicht verbergen, als er auf den toten Kist hinabsah. »Er war einer von diesen altmodischen Burschen, ein Patriot. Nun, Joop, wir werden die Schuld hundertfach zurückzahlen…« Seine Stimme wurde härter, als er sich in der Scheune umsah, in der die Leichen von sechs Männern mit schwarzen Skimasken und Skihosen lagen. Sie waren von Kugeln aus den automatischen Gewehren des Venlo-Teams durchsiebt. »Sie wissen, was Sie zu tun haben – wir brauchen vier Leichen in dem Lastwagen, den ich fahren werde, Jan. Und unsere Freunde…« Er zeigte mit einer Handbewegung auf Wargrave. »… werden den Citroen nehmen, der, wie ich zu meinem Bedauern gestehen muß, heute morgen in Den Haag aus einer Garage gestohlen worden ist.«
»Dann bleiben noch zwei Leichen übrig einschließlich des Hünen«, hob Jan hervor.
»Werfen Sie sie in die Maas«, sagte Scholten brutal.
Er wandte sich an Wargrave, als dieser näher kam und mit leiser Stimme sprach. »Können Sie darauf vertrauen, daß diese Männer den Mund halten? Und wie sieht es mit Ihrem Minister aus? Ich will nicht, daß Ihr Kopf rollt, Max.«
»Das Venlo-Team ist mir ergeben«, erwiderte Scholten. »Verstehen Sie, offiziell haben sie heute ihr Quartier
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