Lawinenexpreß
ich gebeten habe, Luigi?«
»Sie wartet im Milano Centrale«, erwiderte Molinar.
»Ich möchte die komplette Anlage im Schlafwagen installiert haben – und zwar im vorletzten. Wir haben einen eigenen Funker, der die Anlage bedienen wird, einen Mann namens Peter Necker. Ich habe ihm Ihre Nummer gegeben, und er…«
»Er befindet sich im Augenblick in einem Zimmer im dritten Stock dieses Hauses – neben dem Raum, in dem wir unsere eigene Sendeanlage haben.«
»Das wird Zeit sparen«, bemerkte Wargrave. »Ich muß innerhalb der nächsten Stunde ein paar dringende Funksprüche durchgeben. Um auf den Expreß zurückzukommen – ich brauche eine direkte Telefonleitung zwischen dem Abteil mit der Funkanlage im Schlafwagen und dem Lokführer.«
»Wir werden es erledigen.« Molinari fuhr fort, stenographische Notizen auf einen Block zu kritzeln. »Vierundzwanzig Stunden sind Zeit genug, und wir haben sogar noch mehr. Weiter?«
»Jetzt kommen wir zu dem Augenblick, in dem ich mit meinem Fluggast auf dem Mailänder Flughafen lande. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie eine Nebelwand legen könnten, damit man uns nicht verfolgen kann…« Er ging in die Details, und Molinari sah keine Probleme. Der Italiener schlug sogar ein zweites Ablenkungsmanöver vor, dem die anderen sofort zustimmten.
Alle rauchten, und schon jetzt hing eine blaue Qualmwolke unter der Lampe überm Tisch. Elsa, die ein blaues, am Hals anliegendes Wollkleid angezogen hatte, spürte die im Raum herrschende Spannung. »Wenn ich dich recht verstehe, kehren wir mit dem Fluggast hierher zurück?« fragte sie. »Er muß sein Äußeres verändern, bevor wir Milano Centrale erreichen – ich habe meine Maskenbildnerausrüstung vom Film mitgebracht…«
»Kehren wir zurück?« wiederholte Haller mit einem seltsamen Unterton. »Und wohin wirst du dich begeben?«
»Ich werde mit Harry in dem Jet mitfliegen«, klärte sie ihn auf. »Das haben wir schon vereinbart…«
»Das wirst du nicht!« Haller schlug mit der Faust auf den schweren Tisch. »Ich verbiete es unter allen Umständen. Dieser Flug wird einer der gefährlichsten…«
»Du hältst mich doch nicht etwa für eine Mimose?« brauste Elsa auf.
Wargrave schaltete sich ruhig ein. »Sie könnte mir sehr nützlich sein…«
»Das wird sie nicht!« schnauzte Haller. »Weil sie nämlich nicht in dieser Maschine mitfliegen wird. Wenn Matt will, kann er ja mitfliegen…«
»Matt hat soeben zugestimmt«, meinte Matt listig.
Wargrave schüttelte den Kopf. Er sprach noch immer in seinem ruhigen, lakonischen Tonfall. »Matt brauche ich woanders: Er muß sich im Mailänder Hauptbahnhof umsehen. Er hat eine Gabe, Dinge zu entdecken, die anders sind als normal. Was Elsa betrifft, so spricht sie fließend Französisch – die zweite Landessprache in Rumänien. Außerdem kann ein Mädchen im entscheidenden Augenblick genau die richtige Ablenkung bedeuten.«
»Ich bin über all das gar nicht glücklich«, ereiferte sich Haller von neuem.
»Aber dieses Unternehmen wird von mir geleitet. Schon vergessen?«
»Ein weiblicher Agent«, warf Molinari begütigend ein, »kann einen Mann hervorragend ergänzen – vor allem, wenn beide schon einige Zeit zusammengearbeitet haben, wie ich es an diesen beiden Herrschaften sehen kann.«
Haller warf Matt Leroy einen Blick zu; der starrte in die Luft. »Sieh mich jetzt nicht an«, sagte Matt, »jetzt ist Elsa die Größte.«
»So, bevor wir jetzt essen«, sagte Wargrave entschlossen, »würde ich gern nach oben gehen und mit Peter Necker sprechen, und zwar allein, wenn es sich machen läßt…«
»Ich werde Ihnen das Zimmer zeigen«, erwiderte Molinari. Keiner der beiden Männer blickte in das verräucherte Zimmer zurück, als sie die Treppe hinaufgingen; dort herrschte eine Atmosphäre, die sie lieber mit Stillschweigen übergingen. Elsa saß mit vor Ärger gerötetem Gesicht da, Haller brütete dumpf vor sich hin, und Matt starrte wieder in die Luft.
Als Wargrave in dem Zimmer im dritten Stock mit Peter Necker allein war, gab er ihm Anweisungen, während er einen langen Funkspruch niederschrieb. Necker war der ehemalige Kriminalbeamte, der zwölf Monate lang die gefährliche Rolle des Kellners in der weißen Jacke gespielt und in Basel die Kassetten aus dem Schlafwagenabteil des Moskau-Expreß herausgeholt hatte. Er war ein kleiner, gutgepolsterter Mann von zweiundfünfzig Jahren und hatte ein gnomenhaftes Gesicht, dichtes braunes Haar und einen permanent sanften
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