Lawinenexpreß
außerdem war es untersagt, einen solchen Mann mehr als dreimal in einem Jahr einzusetzen. So war die Wahrscheinlichkeit äußerst gering, daß es dem KGB auffiel und bekannt wurde. »Ich habe von Phillip John gehört«, bemerkte er.
»Tatsächlich?« Haller zuckte zusammen. »Doch nicht von Molinari?«
»Nein, nicht von Molinari.« Wargrave drückte seine Zigarette aus. »Sagen wir einfach, ich habe meine Quellen – und die gefährden Phillip John keineswegs. Und, wie du schon gesagt hast, wir können jede nur erdenkliche Hilfe brauchen.« Er sah auf die Armbanduhr, nahm den Stadtplan Molinaris, auf dem eingezeichnet war, wo sie sich befanden, ging damit zum Ofen hinüber, öffnete die Klappe und verbrannte den Plan. »Ich glaube, jetzt ist es Zeit, schlafen zu gehen«, versetzte er.
»Hört sich gut an«, stimmte Elsa zu. Sie hatte Wargraves Ausdruck bemerkt. »Für dich haben sie ein Extrazimmer«, sagte sie frech und gähnte.
»Morgen werden wir einen randvollen Tag haben – müssen viele Details prüfen«, mahnte Wargrave. »Am Samstag wird es wieder anders sein – nach Bukarest und zurück, das ist ein langer Weg.«
7. Bukarest
Punkt 7 Uhr 30 am Samstag, dem 8. Januar, startete Wargraves Hawker-Siddeley 125 vom Mailänder Flughafen und verschwand in der dichten Wolkendecke. Neben dem Engländer saß Elsa Lang. Sie hatte sich auf dem Sitz des Kopiloten angeschnallt und eine Balkankarte in großem Maßstab auf dem Schoß ausgebreitet. Sie war schon früher mit Wargrave geflogen – in Cessnas – und hatte dabei eine Neigung zur Navigation gezeigt; sie hatte oft bestimmte Orientierungshilfen am Boden geortet, die Flugroute überwacht und geholfen, die Maschine auf Kurs zu halten.
»Was geschieht, wenn wir bei Ankunft nicht das richtige Landesignal erhalten?« fragte sie.
»Dann kehren wir um und fliegen mit Höchstgeschwindigkeit wieder nach Hause…«
Angelos Anweisungen auf der letzten Kassette waren wie immer sehr präzise gewesen. Beim Landeanflug auf die Landebahn außerhalb Bukarests würden die Begrenzungslichter der Landebahn eingeschaltet werden, und eine Signallampe werde wiederholt Lichtzeichen geben – dreimal lang… einmal kurz… dreimal lang… Und er selbst, Angelo, werde an zwei silberfarbenen Buchstaben am Mantelrevers erkennbar sein: AN.
Die Maschine gewann rasch an Höhe und nahm zunächst Kurs auf Belgrad, das auf der direkten Route nach Bukarest lag.
»Hat Phillip John die Musterung bestanden?« fragte Elsa.
»Winchester und Cambridge. Dann eine kurze Zeit in einer Londoner Geschäftsbank. Das hat ihn alles entsetzlich gelangweilt, so daß er etwas Aufregendes suchte. Er hat es gefunden«, war Wargraves trockener Kommentar. »Er ist ein ruhiger Mann, und das hat mir gefallen. Reflexe wie bei einem Formel-I-Rennfahrer. Ich habe ihn mit dem alten Trick getestet – eine Waffe zwischen uns auf den Tisch gelegt, und wenn ich in der Unterhaltung ein bestimmtes Wort äußere, langt er nach der Waffe.«
»Wer hat gewonnen?«
»Seine Hand hat den Knauf zuerst erreicht…«
»Er hat dich geschlagen?«
»Meine Hand lag auf seiner und hielt sie fest.«
»Was ist er für ein Typ? Sieht er gut aus?«
»Einen Meter achtzig groß, wiegt einhundertvierzig Pfund, weißes Gesicht, gewelltes braunes Haar, sehr kontrollierte Bewegungen. Ein Profi…«
Als sie in einem Schneesturm die jugoslawische Küste’ erreichten, hatte Wargrave zum erstenmal Kontakt mit dem Radar der Belgrader Flugsicherung und Luftüberwachung. Durch das Mikrophon sprach er kurz mit dem Tower auf serbokroatisch. Während seiner Jahre auf dem Balkan hatte Wargrave einige gute Freunde gewonnen, und einer davon war Stane Sefer, der Chef der jugoslawischen Sicherheitspolizei. Es war Sefer gewesen, an den er mit Peter Neckers Hilfe am Donnerstagabend den geheimen Funkspruch geschickt hatte. Am Freitagabend hatte er mit einem Anruf in Belgrad die Erlaubnis Sefers erwirkt, Jugoslawien ›in einer dringenden Mission‹ zu überfliegen.
»Unser Radar wird dich ins Land und wieder hinausgeleiten«, hatte Sefer versprochen. »Und bei diesem Wetter wirst du uns auch brauchen, um auf Kurs zu bleiben.«
Der hagergesichtige Stane Sefers hatte keine Fragen gestellt, war aber davon ausgegangen, daß Wargrave unterwegs war, um einen Agenten auszufliegen, der gegen die Russen arbeitete. Und ebenso wie die gesamte jugoslawische Regierung war auch Sefer nur zu gern bereit, jeden zu unterstützen, der den Jugoslawen dabei
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