Lawinenexpreß
bereit?«
Molinari zog einen Kugelschreiber aus der Tasche und setzte sich an den kleinen Klapptisch an der Vorderseite des Fahrzeugs, auf dem das Telefon und die Thermosflasche standen und ein Notizblock lag. Er erwartete, daß der Russe eine Liste aus seiner Aktentasche hervorholen würde – die aber, was er nicht wußte, nur die jüngsten Aufmarschpläne der Roten Armee enthielt – und erschrak fast, als Marenkow sich zurücklehnte, halb die Augen schloß und begann, eine Reihe von Namen und Adressen herzusagen.
Im Tower hatte Toni Morosi, der Fluglotse, die Ankunft des gepanzerten Wagens beobachtet und mit angesehen, was dann gefolgt war. Er ging zum Chefcontroller hinüber, der sich noch immer von dem Streß erholte, den das Heruntersprechen des Jets und das anschließende Maschinengewehrfeuer draußen vor dem Tower bedeutet hatte. »Ich fühle mich scheußlich«, klagte Morosi. »Mein Magen wird immer schlimmer. Kann ich nach Hause gehen?«
»Dann schieben Sie bloß ab, Mann«, sagte ihm der Controller.
Die häufigen Besuche Morosis auf der Toilette an diesem Morgen gingen ihm auf die Nerven, und außerdem war der Flughafen bis auf weiteres ohnehin für den gesamten Flugverkehr gesperrt. Nachdem er den Tower verlassen hatte, schien sich Morosis Gesundheit zusehends zu bessern, als er zu einer Telefonzelle eilte und die Mailänder Nummer anrief. Wieder meldete sich die düstere Stimme sofort.
»Hier Russo«, verkündete Morosi. »Die Maschine ist um dreizehn Uhr siebenundfünfzig sicher gelandet. Ein gepanzerter Wagen brachte die Passagiere zum Tower…«
»Und dann?«
»Es kam zu einer Schießerei. Die Passagiere wurden nicht verletzt…«
»Sind Sie dessen sicher?«
»Ich habe es alles vom Tower aus mit angesehen«, sagte Morosi aufgebracht. »Ich mache keine Fehler, wie Sie wissen. Sie haben die Passagiere in einen anderen Lastwagen verfrachtet. Der müßte jetzt bald abfahren…«
»Sie wissen, was Sie zu tun haben«, schnitt die Stimme ihm das Wort ab.
»Natürlich…«
»Dann tun Sie’s.«
Der gepanzerte Lastwagen verließ das Haupttor des Flughafens. Vorweg fuhren zwei Polizeiwagen. Ein drittes Polizeifahrzeug folgte dichtauf. Und wenige Minuten, bevor der erste der beiden Polizeiwagen das Tor durchfahren hatte, waren drei Motorradfahrer vorausgeeilt. Bei dem Wetter hatten sie die Straße fast für sich. Fast.
In dem Renault, den er in kurzer Entfernung vom Flughafenausgang geparkt hatte, saß Toni Morosi hinterm Steuer und trommelte nervös aufs Lenkrad. Er hatte das Heizungsgebläse eingeschaltet, und zehn Minuten später war er schon fast eingeschlafen. Das Brummen der drei schweren Motorräder, die den Flughafen verließen, rissen ihn urplötzlich in die Wirklichkeit zurück. Er war wieder hellwach. Morosi sah sie in südlicher Richtung verschwinden und drehte den Zündschlüssel. Er mußte es siebenmal versuchen, bis der Motor ansprang, dann ließ er ihn im Leerlauf brummen und wartete. Zwei Polizeiautos kurvten durch das Tor und fuhren ebenfalls nach Süden, gefolgt von einem gepanzerten Lastwagen. Der vorsichtige Morosi wartete noch ein paar Sekunden und war dann verdammt froh, daß er es getan hatte, als der dritte Polizeiwagen erschien und hinter dem Lastwagen herjagte.
»Sieht aus, als wollten sie nach Genua«, murmelte er vor sich hin und fuhr hinter dem Konvoi her. Er hielt so viel Abstand, daß er gerade noch die Rücklichter des dritten Polizeiwagens erkennen konnte. Ihm stand eine lange Fahrt bevor.
Es war genau 14 Uhr 35; als der Konvoi Oberst Molinaris den Mailänder Flughafen verließ und an diesem winterlichen Januarnachmittag in südlicher Richtung auf Genua zufuhr. In dem der Abwehr vorbehaltenen Raum im Flughafengebäude wurde er über Funk unterrichtet, ein Renault – genau könne man das allerdings nicht sagen, obwohl der Polizeibeamte im letzten Wagen ein Nachtglas benutze – scheine den Konvoi zu verfolgen. »Bene«, war Molinaris einziger Kommentar, als er sein Funksprechgerät auf eine andere Wellenlänge umschaltete und schnell zu sprechen begann.
Es war Punkt 14 Uhr 50, als ein zweiter gepanzerter Wagen das Haupttor des Mailänder Flughafens verließ, aber diese Abfahrt unterschied sich in mehr als nur einer Hinsicht von der ersten.
Erstens fuhr dieses Fahrzeug in die entgegengesetzte Richtung direkt auf die Mailänder Innenstadt zu. Zweitens fuhr es ohne jede Eskorte, als es mit hoher, fast gefährlich hoher Geschwindigkeit
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