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Lawinenexpreß

Lawinenexpreß

Titel: Lawinenexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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kalkweißes Gesicht zeigte keinerlei Gemütsbewegung, keinerlei Ausdruck. Die Waggontür schwang näher heran, und John hob den Lauf seiner Luger. Er hielt den Blick auf die angespannten Knöchel gerichtet, die alles waren, was Wargrave vom Sturz ins Nichts trennte. Phillip John hob den Pistolenlauf und zielte mit vorsichtiger Sorgfalt. Die Tür schwang näher heran, Wargraves rechte Hand, die das Messer hielt, das er aus seiner Socke gezogen hatte, stach auf Johns Bauch ein. Der Expreß schwankte. John fiel aus der Tür ins Freie; sein Körper verfehlte das Brückengeländer und stürzte mehr als dreißig Meter tief in den fast zugefrorenen Fluß am Grund der Schlucht. Er schlug mit dem Rücken auf. Langsam fließendes Wasser, das aus den Höhen der Alpen zu Tal floß, gefror über ihm, und sofort bildete sich ein dünner Eisfilm auf seinem Leichnam. Wargrave, der sich unterdessen in den Zug zurückgehangelt und in Sicherheit gebracht hatte, blickte in die Schlucht hinab, bevor er die Tür schloß. Aus seiner Nase rann Blut. John war mit ihm zusammengeprallt, bevor er in die Tiefe gestürzt war. Zwölf Stunden später bot sich schweizerischen Soldaten, die sich in die Schlucht heruntergearbeitet hatten, ein makabrer Anblick sie entdeckten John, der auf dem Rücken lag, blicklos nach oben starrte und in eine dicke Eisschicht gehüllt war. Die Männer mußten Elektrobohrer einsetzen, um an John heranzukommen.

18. Das Wasserhorn
     
     
     
    In der Seitenstraße neben dem Hotel Schweizerhof in Zürich rauchte der Funker des Funkpeilwagens eine im Dienst eigentlich verbotene Zigarette, um sich wach zu halten. Seit der Ankunft des Peilwagens hatte es in diesem Bezirk keinerlei Anzeichen für eine illegale Funktätigkeit gegeben.
    Etwa einen Kilometer entfernt waren ein paar Männer General Trabers dabei, die Meldeformulare eines Hotels zu überprüfen. Bevor sie den Schweizerhof erreichten, hatten sie noch vier andere Hotels zu besuchen.
    In Zimmer 207 wischte sich Heinz Golchack dicke Schweißperlen von seiner Stirn. In dem gutbeheizten Hotelzimmer war es gewiß warm, aber es war nicht nur die Zimmertemperatur, die Golchack zum Schwitzen brachte. Nach sehr kurzer Zeit würde sich am Gotthard eine historische ›Naturkatastrophe‹ ereignen, eine Katastrophe von ungeheuren Ausmaßen. Dies machte Golchack jedoch nicht zu schaffen. Ihn bewegte nur eine Frage: Würde diese Katastrophe General Sergej Marenkow töten?
    Scharpinsky war sich der bei seinen beiden Begleitern ständig stärker werdenden inneren Spannung bewußt, aber er tat, als bemerkte er nichts davon. An Heinrich Baum, seinem Funker, zweifelte er am meisten. Baum war immerhin Schweizer. Laß ihn ruhig schwitzen, dachte Golchack. Und Golchack war ein Mann, der immer ein paar zusätzliche Pfeile im Köcher behielt. »Verlassen Sie sich nie auf einen Plan allein«, schärfte er seinen Untergebenen immer wieder ein. »Man muß unbedingt etwas in Reserve behalten…« Und Golchacks Eingreifreserve befand sich im Augenblick im Atlantik-Expreß: Zwei Männer waren es, auf die er seine Hoffnungen setzte.
    Einer von ihnen, Phillip John, war vor drei Jahren in die moribunde amerikanische CIA eingeschleust worden. John hatte für seine amerikanischen Auftraggeber sogar einige Hinrichtungen vollstreckt, um seine Glaubwürdigkeit zu festigen. Unterdessen hatte er auf den Moment gewartet, in dem Golchack ihm befehlen würde, für seinen wahren Auftraggeber, den GRU, tätig zu werden. Es war keineswegs ausgeschlossen, daß John Gelegenheit haben würde, Marenkow irgendwann während dieser Reise zu liquidieren.
    »Baum«, sagte Golchack plötzlich, »wenn ich Ihnen Bescheid gebe, müssen diese beiden Funksprüche sofort gesendet werden…« Er reichte dem Schweizer zwei Zettel. »Der kürzere, der nach Basel geht, muß als erster übermittelt werden. Dann schicken Sie den Amsterdamer Funkspruch ab. Verschlüsseln Sie beide…«
    Golchack zwang sich dazu, beim Nachdenken still auf einem Stuhl sitzen zu bleiben. Der Junggeselle Golchack-Scharpinsky hatte sein Leben der Mühe geweiht, auf der Leiter zur Macht im Sowjetstaat nach oben zu kommen. Obwohl er nie geheiratet hatte, war er weiblichen Reizen durchaus zugänglich. Seine Triebe hatte er jedoch nur in kurzen Affären befriedigt, bei denen keine Gefahr bestand, daß sie ihn von seinem Lebensziel ablenkten. Selbst jetzt, nachdem er den Beginn des massiven Einsatzes in Andermatt befohlen hatte, hatte er noch immer ein paar

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