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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Weins
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genau dort an, wo du hinwillst? Funktioniert diese Tür jedes Mal verlässlich?«
    »Klar!«
    »Und bei anderen Leuten?«
    Sie zuckt mit den Achseln.
    »Wer weiß davon?«
    »Ich, jetzt du. Mein Großvater, er hat mir die Tür gezeigt. Bei meinem Onkel bin ich nicht sicher, wir haben nie darüber gesprochen.«
    »Ehrlich?«
    Irgendwie fasst sie zu leicht und zu schnell Zutrauen zu mittelalten Männern, denke ich, das könnte ja auch gefährlich sein.
    »Das Holz zu der Tür hat mein Urgroßvater aus der Südsee mitgebracht. Mein Opa hat mir erzählt, sein Vater habe ihm erzählt, er habe es bei einer Wette gewonnen, ursprünglich sei es ein Einbaum gewesen, mit dem die alten Medizinmänner auf der Jagd nach Meeresschildkröten mit einem irgendwie speziell leuchtenden Panzer wochenlang durch die Südsee paddelten.«
    »Klar«, sage jetzt ich.
    »Magisches Holz, eine magische Tür.«
    »Offensichtlich«, sage ich.
    »Ich führe dir die Tür gerne einmal vor, aber du musst mir etwas versprechen.«
    »Okay?«
    »Wenn ich durch die Tür gehe, darfst du mir nicht hinterherkommen, auch wenn ich lange Zeit verschwunden bleibe. Du darfst dich erst wieder regen, wenn ich zurückgekommen bin. Die Tür könnte dir sonst gefährlich werden. Sie hat so etwas wie einen eigenen Willen.«
    »Kommst du durch die gleiche Tür wieder zurück?«
    »Mhh«, macht sie und lächelt.
    »Das klingt fortschrittlich«, sage ich.
    »Versprochen, dass du nicht hinterherkommst, was auch geschieht?«
    »Versprochen«, sage ich.
    Wir geben uns die Hand, und sie blickt mir ernst in die Augen.
    »Großes Türenehrenwort«, sage ich. »Aber bring mir ein Beweisstück mit, damit ich dir glauben kann. Bring mir ein Andenken oder so etwas mit!«
    Sie verschwindet nach oben, um den Schlüssel zu holen, der in der Wandtäfelung im Erdgeschoss versteckt sei. Sie kehrt mit einem sicherlich sechzehn Zentimeter langen Ding aus Bronze zurück. Sie fummelt es in das Schloss der Südseetür hinein und dreht dreimal mit einer vorsichtig rührenden Bewegung zeitlupenlangsam um, wie man Eischnee unter einen Teig hebt. Dann öffnet sie die Tür und schlüpft so schnell durch den Spalt, dass ich nichts vom Raum dahinter erkenne.
    Ich stehe im Keller eines fremden Hauses und warte auf die mythenumwehte Rückkehr eines 13-jährigen Mädchens namens Daphne aus dem angrenzenden Kellerraum. Ich stelle sie mir vor, wie sie an die Wand gelehnt hockt, die Tür im Auge, wie sie auf den richtigen Augenblick wartet, um durch dieselbe Tür zurückzukehren. Ein Mädchen, das ich gerade erst kennen gelernt habe, dem ich mich trotzdem seltsam verwandt fühle, als hätte ich eine Türenpatenschaft übernommen. Eine kleine Türenschwester irgendwie. Auch wenn sie bloß so ein Kind sein sollte, das sich aus Einsamkeit oder Langeweile wichtigmacht.
    Ich muss an ein anderes Mädchen denken, an das sie mich unscharf erinnert. Dabei sehen sie sich nicht einmal ähnlich. Ein Mädchen von früher, Tanja, aus der Schule. Tanja war die, in die sich alles verliebte, die Jungen, die Mädchen, die Lehrer, der Elternrat. Sie ging irgendwo vorbei, an einem Busch, an einer Bank, und schon war alles hoffnungslos verdörrt und versengt und verliebt. Sie trug damals Wildlederminiröcke und Kniestrümpfe, schwarze Herrenhalbschuhe, blassblaue Blusen und einen Ethnobeutel an einer Kordel über der Schulter. Und ihr Haar wehte blond und stolz im Wind, auch wenn Windstille herrschte. Und sie hatte diesen Blick voller Verachtung, alles war ihr vollkommen egal, es wirkte, als würde sie die ganze Zeit Zigaretten rauchen und einem den Rauch ins Gesicht pusten und die Asche auf den Teppich schnipsen, dabei rauchte sie gar nicht und es gab auch keinen Teppich. Natürlich war ich in sie verliebt, aber sie hat mich nie zur Kenntnis genommen. Ich presse mein Ohr gegen das taube Holz, nichts. Ich lausche in das fremde Haus hinauf, ein Eindringling. Leider habe ich das Rauchen bis auf gelegentliche Ausnahmen aufgegeben. Ich muss grinsen, weil ich das Spiel mitspiele. Was mache ich hier?
    Nach einer Weile wird es mir zu viel. Ich kann nicht den ganzen Tag hier vertrödeln. Vielleicht wartet sie nur darauf, dass ich die Geduld verliere und diese Tür öffne, um nach ihr zu sehen, ein Machtkampf. Aber den Gefallen tue ich ihr nicht.
    Ich sage laut: »Tut mir leid, ich kann nicht länger warten, ich schreibe dir meine Telefonnummer auf, du kannst mich anrufen, wenn du zurückgekehrt bist von deiner Reise. Wir sollten in

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