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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Weins
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Kontakt bleiben, denke ich.«
    Ich bekomme keine Antwort. Also schreibe ich meine Telefonnummer auf den Rand einer alten Zeitschrift, die ich im Keller finde, lege sie vor die ominöse Tür. Anschließend klettere ich wieder empor ans Licht. Ich widerstehe dem Drang, eine Weile herumzuschnüffeln. Ich werfe noch einen Blick auf das Haus. Dann mache ich mich auf den Weg, zwei Kilometer bis zum Bus.
     
    12
    »Was haben Sie eigentlich studiert?«, frage ich.
    Frau Merbold guckt mich an, ihre runden, hübschen tiefblauen Augen werden noch größer, so groß, dass ich Lust bekomme, einen Stein oder etwas Ähnliches in sie hineinplumpsen zu lassen, um zu sehen, ob die tiefen Wasser ihrer Augen Wellen schlagen. Ihre Finger verkrampfen sich um einen gut angespitzten Bleistift, ich habe einen wunden Punkt getroffen, scheint mir.
    Heute trägt sie ein gelbes Trägerkleid, auf dem rote und violette Tropenvögel abgebildet sind. Eine Propellermaschine ist soeben über dem Dschungel abgestürzt und in die Tropenhölzer gekracht, hat eine Schneise geschlagen, und die vielen tropischen Vögel fliegen kreischend und wild mit den Flügeln schlagend auf, so eine Art Kleid ist das. Sie verengt ihre Augen zu Sehschlitzen, Zeit für den Gegenangriff.
    »Warum ist das wichtig für Sie?«
    »Moment«, sage ich, »ich habe gerade Sie etwas gefragt.«
    »Und ich habe mit einer Gegenfrage geantwortet. Ich stelle fest«, sie blickt mir fest in die Augen, »dass es für Sie von Bedeutung zu sein scheint, was ich für eine Ausbildung absolviert habe. Etwas scheint Sie unsicher zu machen. Ich scheine Sie zu verunsichern. Ist das richtig? Verunsichere ich Sie?«
    »Ja«, sage ich, »nicht zu knapp, aber können Sie nicht einfach meine Frage beantworten? Ich habe gefragt, was Sie studiert haben.«
    Sie schaut mich eine Weile schweigend an. Man hört die Gedanken hinter ihrer hohen Stirn ticken.
    »Gut«, sagt sie kleinlaut und blickt auf ihre Finger, die sich reiben. Ich bin mir sicher, dass sie ihre Nägel kaut, sie lackiert sie pink und kaut sie dann bis auf das Fleisch herunter.
    »Soziologie. Ich bin Diplom-Soziologin.«
    »Und dann dürfen Sie als Therapeutin arbeiten?«
    »Ich habe eine Zusatzausbildung.«
    »Na dann«, sage ich, aber es beruhigt mich nur wenig.
    »Zweifeln Sie an meiner Kompetenz? Fühlen Sie sich bei mir nicht gut aufgehoben?«
    »Doch, doch«, beeile ich mich zu sagen.
    »Soll ich Sie an einen Kollegen überweisen?«
    »Nein.«
    »Na gut, dann hätten wir das ja geklärt. Wo waren wir stehen geblieben?«
    »Kontrolle«, sage ich. »Ich sagte gerade, es gäbe nur diese zwei Möglichkeiten, scheint mir. Ich muss die Kontrolle darüber gewinnen. Oder ich muss es loswerden. Eins von beiden. Dabei sollen Sie mir helfen.«
    »Okay«, sagt sie. »Sie können natürlich versuchen, die Kontrolle über Ihre Eigenheit zu gewinnen. Was glauben Sie selbst, wie realistisch ist dieser Versuch?«
    »Keine Ahnung«, sage ich.
    »Und ich weiß es auch nicht. Wir wissen es beide nicht. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Sammeln Sie weiter Informationen über das, was Sie erleben. Vielleicht finden Sie über das Wissen den Schlüssel zur Kontrolle. Oder vielleicht auch zur Veränderung. Nehmen Sie an, was Ihnen widerfährt. Das Annehmen, das Sich-drauf-einlassen hat sich schon in mehr als einem Fall als der Schlüssel erwiesen. Das biete ich Ihnen an, daran können wir konkret hier arbeiten.«
    »Das ist, was Ihnen dazu einfällt? Dazu raten Sie mir? So etwas lernen Sie im Studium?«
    »Nicht nur das, noch viel, viel mehr. Sie werden staunen.«
    »Ich soll es annehmen?«
    »So ist es.«
    »Das hört sich ja schön an«, sage ich, »aber Sie müssen ja auch nicht damit klarkommen, plötzlich in Worms zu stehen, obwohl Sie eigentlich pünktlich bei einem Arbeitsmeeting zwei Türen weiter hatten sein wollen.«
    »Trotzdem«, sagt sie, »ich fürchte, Ihnen bleibt gar nichts anderes übrig, als sich darauf einzulassen. Derweil können wir hier versuchen, die Hintergründe aufzudecken, sollten diese lebensgeschichtlicher Natur sein.«
    »Können Sie mich nicht einfach in eine geschlossene Psychiatrie überweisen?«
    »Ist das Ihr Ernst?«
    »Wenn ich es schaffe, aus einer geschlossenen Psychiatrie zu verschwinden«, sage ich, »dürfte zumindest bewiesen sein, dass ich nicht spinne. Und wenn ich nicht rauskomme, habe ich wenigstens eine Weile meine Ruhe. Ich würde mich dort zumindest sicherer fühlen.«
    Sie sagt: »Die behalten Sie ja gar nicht dort,

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