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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Weins
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ausziehen. Eigentlich ziehe ich in Anwesenheit fremder Personen nie meine Schuhe aus. Es fühlt sich an, als würde ich auf einem öffentlichen Platz auf einem türenlosen Klo sitzen. Schuhe als Schutz vor den Anmaßungen des Lebens. Man weiß ja seit der Antike, dass der durchschnittliche Held an der Ferse verwundbar ist. Ich gehe auch grundsätzlich nicht auf Partys, bei denen man die Schuhe ausziehen muss. Aber hier befinde ich mich in Gegenwart Monikas, und ich wollte keine Szene machen. Ich weiß nicht, womit ich gerechnet habe. Hier gibt es Strickpulloverträger. Zwei Frauen tragen weinrote Walle-Walle-Kleider. Es gibt aber auch Menschen, die ganz normal aussehen. Wie ich. Monika sitzt zu meiner Linken. Ihr verdanke ich das Ganze. Sie hat gesagt, dass ich an mir arbeiten muss. Sonst trennt sie sich. Ich müsse eine Idee davon bekommen, warum ich mich verhalte, wie ich mich verhalte, damit ich mich verändern könne. Meine Psychotherapie mit dieser Frau da bewirke in der Richtung offensichtlich nichts oder nicht schnell genug.
    Monika war schon öfter hier. Sonst betont sie immer ihre nüchterne, naturwissenschaftliche Seite, ihre pragmatische Sicht auf die Welt. Aber hier befindet sich offensichtlich das Refugium, in dem ihr Verstand einmal Pause machen darf. Dies ist ihr Kopfkindergarten. Meinetwegen. Ich tue ihr gerne den Gefallen. Schließlich bin ich Journalist. Vielleicht kann ich diese Erfahrung noch einmal hemmungslos verbraten.
    Der Raum ist von Kerzen und Teelichtern erleuchtet, die in kleinen, mit Wasser gefüllten Näpfen vor sich hin blaken. Die Leiterin, ein weiblicher Menschenadler namens Hilke, große Nase, Ponchoschwingen, hat ein paar Tropfen einer Essenz in eine Duftlampe geträufelt. Dann hat sie einen sehr kleinen, fast filigran zu nennenden Gong angeschlagen, der einen erstaunlich tiefen Ton erstaunlich lange nachhallen ließ. Alle Anwesenden schlossen die Augen, bis auf mich und eine debil wirkende, grauhaarige Frau. Dann wurde sich drei Minuten besonnen. Eben hat eine sehr hagere Frau mit eindrucksvoll dunklen Augenringen ihre handtellergroßen, mit Vulkanasche oder Vogelkot angefüllten, runden, verschiedenfarbigen Kissen angepriesen. Die Kissen sind bestimmten Körperchakren zugeordnet. Sie näht die Dinger selbst. Diese Kissen haben eine magische Heilkraft, sagt sie. Man muss sie bloß an die Körperzonen halten, die einem Probleme bereiten, schon geht es einem spürbar besser. Ich habe mir so ein selbst genähtes Kissen gekauft. Für 28 Euro. Um mich von Anfang an beliebt zu machen. Ein kloakenbraunes Schlammkissen, das ich mir auf den Kopf gelegt habe. Ich fühle mich deutlich besser. Ruhig. Fast friedlich. Irgendwie geerdet.
    Es läuft die Vorstellungsrunde, bei der man sagt, ob man ein Anliegen hat oder nicht. Ob man aufstellen will oder bloß zugucken oder ob man sich als Platzhalter für ein Familienmitglied zur Verfügung stellt.
    Monika ist dran. Sie sagt: »Mein Name ist Monika, ich bin ja schon mehrfach hier gewesen. Die Aufstellung beim letzten Mal hat vieles bei mir bewegt und ins Fließen gebracht. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar. Einiges beginnt jetzt wirklich klarer zu werden für mich.« Sie guckt sich liebevoll lächelnd in der Runde um. Als wir den Raum betraten, wurde sie umarmt, als hätten Monika und diese Leute gemeinsam einen Schiffsuntergang überlebt.
    Sie sagt: »Ich habe heute meinen Partner mitgebracht. Und ich weiß, dass es eigentlich nicht üblich ist, hier für andere zu sprechen, dass jeder selbst tun muss, was ihm entspricht, aber ich wünsche mir sehr, dass er heute seine Herkunftsfamilie aufstellt. Er hat ein großes Problem damit, sich einzulassen und Dinge ernst zu nehmen und verlässlich zu sein. Und ich glaube, dass er blind für sich selbst ist und einfach zu gut darin, sich verbal aus der Affäre zu ziehen. Deshalb möchte ich sehen, wie er heute sein System aufstellt.«
    Alle Blicke wenden sich mir zu. Meine Kehle verengt sich signifikant. Gerade befindet sich der Kehlkopfapparat eines vierjährigen Mädchens in meinem Hals.
    »Guten Abend«, piepse ich. »Mein Name ist Lazyboy. Ich bin zum ersten Mal und eigentlich nur zum Zugucken hier. Ich stelle dann beim nächsten Mal auf. Der Nächste bitte.« Ich gucke den kahlköpfigen Mann mit Brille zu meiner Rechten auffordernd an.
    »Nein, nein«, sagt der Frauenadler namens Hilke mit tiefer Stimme. »Das geht mir zu schnell. Verweilen wir beim Lazyboy. Du wirst hier heute Abend aufstellen,

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