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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Weins
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Lazyboy, du wirst uns hier nicht entgleiten, zu deinem eigenen Vorteil nicht.«
    Ich räuspere mich, ich höre mich ein »na gut, okay« piepsen. Ich zucke ergeben die Schultern. Wie sollte ich dem großen Totemtier auf dem Stuhl da widersprechen können? Allein der Größenunterschied: sie Adler, ich Maus?
    »Was kannst du uns über deine Herkunftsfamilie erzählen?«, befiehlt der Adler mit Menschenstimme.
    Also erzähle ich diesen wildfremden Leuten Dinge über meine Herkunftsfamilie, warum auch nicht?
    Ich erzähle von meinem gleichzeitig dominanten und fast schon abwegig distanzierten Vater, der das große Sanitär-Einrichtungshaus von seinem Vater übernommen und zu einer in Europa führenden Kette ausgebaut habe. Ich erzähle von meiner überemotionalen, Gin trinkenden Mutter und ihren als Fürsorge getarnten Übergriffen und Ansprüchen an mich. Ich erzähle von meiner jüngeren Schwester, die sich mit 16 die Pulsadern aufgeschnitten habe, aber in einem Waldgebiet nahe Tostedt gefunden worden sei. Ich erzähle von meinem Onkel, dem zwölf Jahre älteren Bruder meiner Mutter, der KZ-Aufseher gewesen sei und dafür ein paar Jahre im Gefängnis gesessen habe. Ich erzähle von Oma und Opa und der Schweinefarm, und ich fühle mich richtig gut beim Erzählen. Ich kann den ganzen Mist kombinieren, wie es mir gefällt, weil Monika tatsächlich so gut wie nichts über mich und meine Geschichte weiß. Ich weiß eigentlich auch nicht, wieso. Es hat sich halt nie ergeben. Und meine Eltern kennen gelernt hat sie bis heute nicht, ich habe immer einen guten Grund erfunden. Und also kann sie auch nichts sagen, weil sie im Grunde nicht weiß, ob ich die Wahrheit erzähle oder nicht.
    Hilke, der strenge Adler, funkelt mich an. »Man merkt«, sagt sie langsam und mit Bedacht, »dass du nicht so viel seelisches Gewicht auf die Waage bringst wie zum Beispiel Edwin neben dir.« Sie funkelt und durchbohrt mich, sie wiegt mich mit Blicken. »Der hat zwei Kinder und ist mit ihnen und seiner Frau durch dick und dünn gegangen, nicht wahr, Edwin?«
    Edwin neben mir nickt nachdenklich vor sich hin. Dann lächelt er mich mitfühlend an.
    »Ich meine das gar nicht wertend oder beleidigend, sondern einfach beschreibend, ganz sachlich und nüchtern. Bei dir sehe ich sofort, dass du dir die Finger nicht schmutzig machen willst. Du willst nicht hinein ins Leben. Dabei muss man wie ein Kamel durch das Nadelöhr gehen.«
    Ich starre sie an, so fest ich kann, so fest, dass mir etwas Feuchtes zwischen die Wimpern gerät, und sie starrt gelassen zurück, eine Art von Armdrücken mit Blicken, das ich irgendwann verliere.
    Denn etwas später stehe ich in der Mitte dieses Kreises, und irgendwelche Leute werden von Hilke als Mutter und Vater und Schwester und Oma und Opa ausgewählt. Und Hilke fragt mich: »Ist das hier der richtige Platz für deinen Vater?« Und ich möchte es witzig nehmen und damit weitermachen, mit meinem Spiel, und es sabotieren und meinen Spaß haben und meinen sogenannten Vater irgendwohin schieben, wo er nun wirklich nicht hingehört, mein armer Vater, aber irgendwie geht es nicht, irgendwie fühle ich mich wie im Film, alles schimmert wie durch einen Schleier, alles bekommt eine fast unerträgliche, fast schmerzhafte Schwere, und ich spüre tatsächlich, ja, das ist mein Vater, und nein, da kann er unmöglich stehen, das ist zu dicht an mir dran, er muss fort, er muss weiter weg, am besten dort an die Seite von dem ungeborenen Kind meiner Tante Amalie, das starb, weil die Tante auf der Flucht aus dem Osten vom Wagen fiel, als die Tiefflieger kamen.
    Und dann werde ich ausgetauscht gegen einen blassen, schmächtigen Mann, der meine Stelle einnimmt, damit ich mir das Ganze mit etwas Abstand anschauen kann. Und eine Frau, die meine Schwester darstellt, die ganz dicht vor meinem Stellvertreter steht, sagt: »Ich gucke dich an, aber ich sehe dich nicht. Ich gucke dir mitten ins Gesicht, aber du bist ja gar nicht da, das kann ich deutlich erkennen.« Sie wendet sich der Anleiterin zu: »Darf ich ihn berühren, darf ich etwas verändern?«
    »Nur zu«, sagt Hilke.
    Und sie nimmt mich, nimmt den falschen Lazyboy am Arm und dreht ihn von sich weg, und dann schiebt sie ihn in die hinterste Ecke des Raumes, wo sich die Tür befindet. Sie schiebt diesen Lazyboy vor die Tür mit dem Rücken zum Raum. Und die Anleiterin Hilke schaut mich aus großen, bohrenden Augen an und fragt: »Schau dir das einmal in Ruhe an, Lazyboy, stimmt es so,

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