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Lazyboy

Lazyboy

Titel: Lazyboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Weins
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zerfleddert aus. Stühle sind zu einem großen Kreis zusammengestellt. Der halbe Ort hat sich eingefunden. Ich sehe sogar meine Freundin mit dem Brunnen und dem ausgestopften Hund, ich nicke ihr zu, aber es ist ihr sichtlich peinlich. In der Mitte dieser Runde stehen zwei Kinderstühle, auf denen wir Platz nehmen müssen. Der Bürgermeister lehnt mit verschränkten Armen an der Schultafel, pustet sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. Der Lehrer steht mit erhobenen Händen am Rande des Kreises, er ergreift das Wort.
    »Nach langer und freier Diskussion, in der jeder Beeker, der sprechen wollte, seine Meinung sagen konnte, sind wir endlich zu einem Ergebnis gekommen.« Er fixiert mich grimmig. Ich stelle mir einen Trommelwirbel, eine Fanfare vor, irgendetwas. »Wir wollen und werden diese Expedition mit Ihnen durchführen.«
    »Ja?«, frage ich.
    »Ja«, sagt der Lehrer. »Und wollen Sie wissen, wieso?«
    »Gern«, sage ich.
    »Weil es so geschrieben steht. Weil die Prophezeiung besagt, dass der Mittler nicht nur die Wand überwindet, sondern auch die Wiedervereinigung herbeiführt. Wir müssen Ihnen wohl oder übel vertrauen.«
    »Toll«, sage ich. »Dann mal los!«
    »Aber ich werde Sie begleiten und ein Auge auf Sie haben.«
    »Überraschung«, sage ich. »Ich kann es kaum erwarten.«
     
    13
    Der Lehrer und ich gehen auf die Tür in der Wand zu. Es ist noch sehr früh am Tag, Raureif auf den Bäumen, beim Sprechen kann man den Atemwolken zusehen, wie sie filigrane Tiergebilde formen, die sich im hohen Vorwinterhimmel verlieren. Der Lehrer und ich bilden die Spitze der Bewegung. Hinter uns trottet Daniela über das gefrorene Gras, ich kann ihre Anwesenheit körperlich spüren. Natürlich hat der Lehrer darauf bestanden, die Zusammensetzung der beiden Expeditionsgruppen zu bestimmen. Allerdings habe ich darauf bestanden, dass Daniela zu meiner Gruppe gehört. Jede Gruppe umfasst 20 körperlich fitte Beekerinnen und Beeker, jeder mit einem Bündel dünner, leichter, ultrareißfester Spezialseile aus der Manufaktur bewaffnet.
    »Wenn das mit der Vereinigung klappt«, sage ich, »dann werden auch Sie wieder altern und sterben, oder?«
    »Selbstverständlich«, sagt der Lehrer mit mürrischem Gesichtsausdruck. »Was meinen Sie, wie sehr wir uns darauf freuen, endlich aus diesem kollektiven Stillstand herauszutreten? Die Stadt muss sich erneuern, auch was ihr Personal betrifft. Alles ist besser als diese Gleichförmigkeit, wo schon ein Wetterwechsel Abwechslung bedeutet.«
    »Apropos«, sage ich. »Darf ich noch ein paar Dinge über Beek fragen? Es gibt immer noch vieles, was mir außergewöhnlich und unverständlich erscheint.«
    »Nur zu, dazu bin ich ja da, ich bin der Lehrer.«
    »Okay. Haben Sie keine Sonne?«
    »Bitte?«
    »Es wird Nacht und Tag in Beek, aber ich habe bislang weder eine Sonne noch einen Mond noch Sterne zu Gesicht bekommen. Es wird hell, es wird dunkel, der Himmel ist blau oder bewölkt, aber die wesentlichen Gestirne, die in meiner Welt dafür verantwortlich gemacht werden, scheinen hier völlig zu fehlen.«
    »Was meinen Sie genau?«
    »Sonne und Mond?«
    »Bitte?«
    »Riesige, selbstleuchtende Himmelskörper, wie große Lampen am Himmel, die für Licht sorgen.«
    »Wie praktisch«, sagt der Lehrer. »Wissen Sie, bei uns leuchtet der Himmel selbst, wir brauchen da oben keine Lampen, die benutzen wir einzig in den Häusern, und da scheinen sie mir auch besser aufgehoben.«
    »Und gibt es eigentlich einen Gott in Beek? Gibt es Götter?«
    »Ich verstehe nicht«, sagt der Lehrer. »Was meinen Sie?«
    »Wer hat Beek erschaffen? War es schon immer da? Und was ist jenseits der Grenzen von Beek?«
    »Na ja«, sagt der Lehrer. »Sie sind doch jetzt hier, um uns davon zu berichten.«
    »Stimmt«, sage ich.
    Als wir an der Wand ankommen, öffne ich ohne Hokuspokus die Tür, wie man ein Pflaster von einer Wunde zieht. Das weiße Nichts wartet. Die Gruppe versammelt sich um mich.
    »Wer möchte zuerst?«, frage ich.
    Daniela blickt mich mit hellen Augen an.
    »Na, wer wohl«, sagt der Lehrer.
    »Schon klar«, sage ich und halte ihm die Hand hin.
    »Noch eine Frage, bitte«, meldet sich schüchtern ein schmächtiger Mann mit roten Haaren, der jetzt schon unter seinem Bündel Seile beinahe zusammenbricht. »Was machen wir eigentlich, wenn uns die Seile ausgehen?«
    »Dann holen wir neue Seile«, sage ich. Er nickt, beeindruckt von so viel Weisheit, und ich drücke die Hand des Lehrers. Der Lehrer holt tief

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