Lazyboy
Welt zu euch gesandt. Ich bin für euch dort auf der anderen Seite der Wand gewesen und habe zum Beweis ein köstlich schmeckendes Brot mitgebracht.«
»Geht so köstlich«, sagt jemand.
»Und obwohl ich gute Gründe gehabt hätte, hier niemals wieder zu erscheinen, war mir die Verpflichtung eurem Schicksal gegenüber wertvoll genug, immer zurückzukehren. Hier stehe ich, und in diesem Moment stehe ich gänzlich freiwillig hier. Ich bin bereit, gemeinsam mit Daphne die Grenzen Beeks zu erforschen und damit sehr wahrscheinlich eure Heimat wiederzuvereinigen.«
Nach meinen Worten herrscht Stille. Ich bin nicht unzufrieden mit der Wirkung, auch wenn ich mir vorkomme wie ein drittklassiger Zauberer mit seiner Verschwindekiste. Der Jahrmarkt ist in der Stadt.
Ich blicke Daniela in die Augen, die meinen Blick traurig erwidert.
»Ich verstehe es immer noch nicht«, sagt der Lehrer.
»Seile«, sage ich. »Der Schlüssel zum Erfolg der Expedition sind Seile. Wir brauchen ausreichend Seile, sonst wird aus der ganzen Sache nichts. Daphne und ich stehen jeweils an der Spitze einer Expeditionsgruppe. Da wir nicht aus Beek stammen, ist es uns möglich, über die gefühlte Grenze der Einöde hinwegzugehen. Während wir voranschreiten durch die noch unentdeckten Flächen der Einöde, markieren wir unseren Weg mit Seilen. Immer ein Seil wird an ein weiteres geknotet. So ziehen wir die anderen Expeditionsteilnehmer an diesen Seilen ins Ungewisse. Das wird klappen. Denn jeder weiß dann, dass dort, wohin das Seil führt, vor ihm schon ein Mensch gegangen, dass jener Fleck praktisch wie theoretisch begehbar ist.«
Ich blicke mich um, kann in den versammelten Gesichtern allerdings wenig Euphorie ausmachen.
»Das ist alles«, fragt der Lehrer, »das ist Ihr Plan?«
» Seile? «, fragt der Bürgermeister mit ätzendem Unterton.
»Und wohin soll das führen?«, fragt der Lehrer. »Was haben wir davon, wenn wir wissen, was sich jenseits der Einöde befindet bzw. ob sich überhaupt etwas jenseits befindet, was ich zu bezweifeln wage? Seit Urzeiten leben wir Beeker in Beek, und Sie Schlaukopf meinen, Sie müssen aus Ihrem wolkigen Irgendwo hier zu uns herüberkommen, um uns die Grenzen unserer Welt aufzuzeigen, oder wie? Es entspricht nicht Ihrem Auftrag! Ich weiß nicht, ob Sie es vergessen haben? Der Auftrag lautet: Überwinden Sie die Wand. Vereinigen Sie Beek. Heben Sie die Trennung auf!«
»Ich weiß nicht, ob es zu viel verlangt ist, mir inhaltlich zu folgen«, sage ich, »aber ich behaupte, dass der Schlüssel zur Wiedervereinigung Beeks im Lauf des Flusses liegt. Ich habe kürzlich hier ein wissenschaftliches Experiment durchgeführt, dessen Ausgang mich mehr als hoffnungsfroh stimmt. Ich möchte noch nicht zu viel verraten. Wenn wir wissen, wohin die Beek fließt, werden wir auch wissen, was es mit der Wiedervereinigung auf sich hat.«
»Wieso?«, sagt der Bürgermeister mit konsterniertem Gesichtsausdruck.
»Weil es so in der Prophezeiung steht«, sage ich, was hoch gepokert ist, ich habe keine Ahnung. Alle Köpfe wenden sich wie an Fäden gezogen dem Lehrer zu.
»Stimmt das?«, fragt der Bürgermeister.
Der Lehrer räuspert sich. »Äh, tja, ja«, sagt er.
»Ich meine, was haben wir zu verlieren?«, unterbricht die Stimme von Daniela das Schweigen. »Vielleicht wissen wir mit seiner Hilfe letztlich auch nur mehr über unsere eigene Welt, selbst, wenn diese Expedition nicht zum gewünschten Ergebnis führen sollte.«
»Wir sollten darüber beraten«, sagt ein Mann mit einem Gesicht wie ein Räuchermännchen, »allerdings ohne unsere Gäste. Wir sollten in Ruhe darüber sprechen und abstimmen, wie es hier bei uns in Beek einmal Brauch gewesen ist in den guten Zeiten.«
Wieder wenden sich die Köpfe dem Lehrer, aber auch dem Bürgermeister zu. Die Fackeln blaken. Ruß steigt in den Nachthimmel auf. Menschen stehen im großen Kreis von Beek. Der Lehrer nickt nachdenklich, dann sieht er den Bürgermeister fragend an.
»Und jetzt?«, fragt Daphne, als wir alleine sind.
Man hat uns gemeinsam in die Hütte des Mittlers gesperrt. Ich schaue mich mit beinahe nostalgischen Gefühlen um. Was hätte das für ein angenehmes Leben werden können, hier in meiner Hütte am See.
»Was soll denn diese ganze Expeditionsscheiße, wenn ich mal fragen darf?«
Sie guckt mich aus schmalen Augenschlitzen an.
»Wir müssen hier raus«, sage ich, »ich muss hier raus. Ich muss endlich mein Leben auf die Reihe kriegen.«
»Absolut deiner
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