Lea und die Pferde - Das Glück der Erde (German Edition)
weiter gucken oder gehen wir was trinken?«, ergriff ich die Chance, erstens vom Reitplatz und von dieser langweiligen Prüfung wegzukommen und zweitens Ronja die Abreibung durch ihren Bruder zu ersparen.
Heiko zögerte, aber dann dachte er wohl, dass er Ronja schließlich noch den ganzen Abend zur Schnecke machen konnte. Außerdem gesellte sich gerade ein kräftiger, dunkelhaariger Mann zu ihr – der, mit dem Thorstens Vater neulich am Rande des Parcours gesprochen hatte. Nun fiel mir auch ein, warum er mir damalsbekannt vorgekommen war. Er sah Heiko und Ronja auffallend ähnlich.
»Mein Daddy«, erklärte Heiko mit einem schadenfrohen Blick auf seine Schwester. »Hat er’s also doch noch geschafft zu kommen. Jetzt hat er das Trauerspiel ja wenigstens mal selbst gesehen …«
Arme Ronja. Aber glückliche Lea! Für die nächste Stunde gehörte Heiko ganz und gar mir. Nicht mal meine Mom kam uns in die Quere, die quasselte mit irgendwelchen Müttern am Kuchenstand. Und wieder mal unterhielt ich mich blendend mit Heiko. Wir redeten über die Schule, über Musik – abgesehen davon, dass er »Tierpension« nichts abgewinnen konnte, mochten wir fast die gleichen Bands – und über Filme.
»Wir können ja mal ins Kino gehen!«, sagte er schließlich.
Ich grüßte die Welt von Wolke 17!
Schließlich ging ich mit, um Mariano fürs L-Springen fertig zu machen. Ich fürchtete zuerst, Heiko würde dazu meine Hilfe brauchen und ich würde mich unrettbar in dem Riemengewirr verheddern, das man »Trense« nannte. Aber dann wimmelte es im Stall nur so vor Mädchen in Reitzeug, die bereit waren, Mariano und sein Sattelzeug notfalls mit der Zunge sauber zu lecken. Natürlich guckten sie mich alle an, als wollten sie mich bei nächster Gelegenheit an die Fische verfüttern, aber da stand ich drüber. Gelassen schlenderte ich zu Joker hinüber, der trübsinnig in einer ziemlich kleinen Box stand. Er hätte schon wieder einen Labello gebraucht. Oder eigentlich eher Wundsalbe. Seine Maulwinkel waren mehr als ein bisschen aufgesprungen. Sie waren wund.
»Du kannst ein bisschen Vaseline draufmachen«, bemerkte Heiko, als ich ihn darauf hinwies. »Ist selber schuld, der Gaul, warum kommt er nicht runter?«
Ein Topf Vaseline fand sich in Marianos Putzkasten. Solche Missgeschicke schienen hier also öfter vorzukommen. Mit klopfendem Herzen schlüpfte ich zu Joker in die Box. Er war so viel größer als unsere Schulpferde …
Allerdings machte er keine Anstalten, mich zu beißen. Im Gegenteil, er schien sich über den Besuch zu freuen und unterzog erst mal meine Hosentaschen einer gründlichen Untersuchung. Dabei fand er tatsächlich ein paar Leckerli. Extra heute morgen eingesteckt – obwohl ich doch nie eines von diesen Mädchen hatte werden wollen, die ständig irgendwelche klebrigen Pferdebonbons mit sich herumschleppen. Aber irgendwann wird so was zum Reflex: Man geht irgendwohin, wo es Pferde gibt – und automatisch stopft man sich vor der Abfahrt die Taschen voll … Seit wir regelmäßig reiten, hat meine Mutter eine Packung Leckerlis im Flur unserer Wohnung deponiert.
Nachdem Joker seinen Snack verputzt hatte, überprüfte er meinen Bauchnabel. Er hatte eine witzige Art, seine Nase vorzustrecken und wie eine Art »Fühler« zu gebrauchen. Es kitzelte auf der nackten Haut.
»He, ich werde eifersüchtig!«, tönte Heiko lautstark, der eben auf dem Weg zur Umkleide an der Box vorbeikam. Er musste sich jetzt für die Prüfung in Schale werfen. »Darf ich nachher auch mal fummeln, wenn ich gewinne?«
Ich runzelte die Stirn. »Turniersieger dürfen Prinzessinnen küssen«, bemerkte ich. »Aber von Bauchnabelfummeln ist im ›Letzten Ritter‹ nicht die Rede.«
Heiko lachte und verschwand. Joker ließ sich brav die Maulwinkel einschmieren und verrieb die Vaseline anschließend auf meinem T-Shirt, indem er seinen Kopf an mir schubbelte. Er mochte kein besonders tolles Dressurpferd sein, aber er war nett.
Heikos Springen verlief genau so wie zwei Wochen zuvor in Wienberg. Nur dass es diesmal nicht geregnet hatte. Also schlidderte niemand durch den Matsch, alle ritten schneller und schließlich kamen fünf Starter ohne Fehler durch den Parcours: Heiko, drei erwachsene Männer und ein Mädchen. Beim Springen war es anders als beim Dressurreiten. Wie Heiko gesagt hatte: Wo es um Mut ging, überwogen die männlichen Reiter. Und Mut zeigten die Sieger wirklich: Sie rasten wie die Wilden über die Hindernisse und nahmen die
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