Lea und die Pferde - Das Glück der Erde (German Edition)
Biest ist gemeingefährlich. Mir unverständlich, warum der Verein sich so was als Schulpferd hält …«
»Die anderen sind auch nicht viel besser«, bemerkte ich.
Buffalo neigte zum Scheuen, Ronnie strebte ständig in die Mitte, Nougat wurde aggressiv, wenn ihm ein anderes Pferd zu nahe kam. Nur Toby war meistens brav. Aber der galt als langweilig.
»Wie Frau Witt schon sagt: ›Das höchste Glück der Pferde …‹«
Ich seufzte.
»Frau Witt tickt nicht richtig«, erklärte Heiko zu meiner Verwunderung. »Die ist genauso eine Niete wie die Schulpferde. Was meinst du, weshalb für die Privatreiter ein anderer Lehrer kommt? Jedenfalls lernt man nichts vom Runterfallen, die Mädels kriegen davon höchstens Angst …«
»Und die Jungs nicht?«, fragte ich mit gerunzelter Stirn.
»Vielleicht solche Flaschen wie euer Bubi im Kurs, aber richtige Jungs …«
Ich fragte mich, warum es wohl so wenige »richtige Jungs« in den Reitställen gab, wenn man da doch sofabelhaft seine Tapferkeit beweisen konnte. Aber das sagte ich besser nicht laut.
»Also, was ist? Kommst du am Sonntag? Das Springen geht um elf Uhr los.«
Ich zuckte die Schultern.
»Mal sehen«, entgegnete ich.
Aus dem Augenwinkel sah ich Thorsten. Er kam aus Tobys Box – wenn er da die ganze Zeit gehockt hatte, musste er alles mitbekommen haben.
Heiko verdrehte bei seinem Anblick die Augen und wandte sich zum Gehen.
Von draußen rief meine Mutter noch einmal.
Thorsten zog die Augenbrauen hoch, als Heiko sich umwandte. »Falls du trotzdem mit zu Wiebke willst: Sonntag um elf am Zoo …«
Voll versägt
M eine Mutter und ich erreichten das Reitsportgeschäft noch vor Ladenschluss, und sie schleifte mich mit meiner gerissenen Hose durch das halbe Einkaufszentrum, bevor sie das Unglücksteil im Laden präsentierte. Der war natürlich voll – ungefähr zehn Leute erlebten mit, wie meine Mutter wutschnaubend mein T-Shirt anhob und der Verkäuferin vollen Ausblick auf mein Hinterteil gewährte. Aber immerhin war diesmal auch die Ladeninhaberin da, rüffelte die magersüchtige Verkäuferin für die schlechte Beratung und gewährte uns schließlich einen ordentlichen Preisnachlass auf eine langweilige dunkelgrüne Hose in Größe 38. Ich hätte im Boden versinken können!
Und auch sonst ging alles ziemlich schief. Ich machte den Fehler, Mom von meinen Turnierplänen am Wochenende zu erzählen.
»Du willst in Hermannsburg zuschauen? Super, dann fahren wir doch zusammen hin!«
So hatte Heiko sich das natürlich nicht gedacht. Zu blöd. Gerade hatte ich gehofft, ihn am Samstag allein und ohne Pferd genießen zu können. Schließlich würde er bei den Dressuren nur zuschauen. Das Daumendrücken beim Springen war mir dagegen gar nicht so wichtig. Für mich sah da ein Durchgang aus wie der andere.
Das war allerdings noch nichts gegen die Dressurprüfungen! Dabei starteten durchschnittlich neunzig Mädchen in haargenau gleichen weißen Reithosen undschwarzen Jacken. Sie ritten auf braunen, fuchsfarbenen oder schwarzen Pferden mit der gleichen Zöpfchenfrisur und sie bewegten sich wie Klone. Wo die Richter hier Unterschiede sehen konnten, war mir ein völliges Rätsel, und meiner Mutter schien es sich auch nicht zu erschließen. Sie wollte deshalb nach der A-Dressur Kaffeetrinken gehen, aber ich bestand darauf, Ronja und Joker in der L-Prüfung zu sehen. Die Konkurrenzen unterschieden sich für mich vor allem darin, dass die teilnehmenden Mädchen gelegentlich auch dunkelblaue oder dunkelgrüne Reitjacken trugen und einzeln starteten.
Ronja kam in dieser Prüfung als Sechste dran. Aber sie war bereits Stunden vorher auf dem Abreiteplatz, wo Heiko sie triezte. Womit er das Bild entschieden zerstörte. Ursprünglich hätten Ronja und Joker nämlich zumindest eine Schönheitskonkurrenz problemlos gewinnen können. Ronja ist der Typ, dem der strenge Turnierlook steht. Sie hat ganz gleichmäßige Gesichtszüge, porzellanblass, so ein bisschen geishamäßig. Die kamen unter der Kappe gut zur Geltung. Und ihre langen, dunklen Haare trug sie heute in einem Netz, was irgendwie cool aussah. Dazu ist sie schlank und groß, ihr dunkelblaues Jackett passte zu ihren dunkelblauen Augen. Ein bisschen geschminkt war sie auch – sie sah aus wie ein Model für Reitmoden. Und Joker war ebenfalls ein sehr schönes Pferd. Sein dunkelbraunes Fell glänzte heute wie lackiert, er trug eine schneeweiße Satteldecke und ein Samtstirnband in Weiß und Dunkelblau. Zuerst schien
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