Lea - Untermieterin bei einem Vampir
die man fort gibt, wenn man sie spricht. Ich mag persönliche Dinge sehr gern. Ich finde lesen intim, denn in Büchern sind die Fantasien der Autoren gesammelt. Ich finde Musik intim, weil Klänge schön wie Gedanken sein können. Aber Bluttrinken ist mehr als das, denn Blut ist der Fluss des Lebens und nichts ist kostbarer als das. Wenn mich eine Frau ihr Blut trinken ließe, dann wüsste ich, dass sie mir vertraut und mich liebt, wenn sie einen Teil dieses Lebens an mich verschenkt. Und gleichzeitig muss ich ihr vertrauen und sie genügend wollen, um sie auf diese Weise an mich zu binden, dass ich sie in mir aufnehme und mit meinen Zähnen ihre Haut durchstoße, mich von ihr nähre und durch sie leben kann. Es spielt keine Rolle, dass Blut nicht nach Zucker schmeckt. Die Bedeutung, die es hat, macht es für mich süß. Eine Frau, von der ich trinken darf…“ Er seufzte. „Ich würde ihr im Gegenzug alles von mir geben.“
Ich schluckte schwer. Verdammt, wenn es nicht so eklig wäre, käme es mir vor wie tausendundeine Nacht! Ich hatte mit einem Schlag den irrsinnigen Wunsch, eine solch intime Verbindung zu einem Mann, der für mich alles war, zu fühlen. Aber ich wusste nicht, ob das, was Tom beschrieb, mit einem menschlichen Mann jemals möglich war. Und ich bezweifelte noch immer, dass ich bereit wäre, einem Vampir den Preis zu zahlen, den diese Art von Einheit kostete. Denn das war es doch im Grunde: keine Zweisamkeit, sondern die Verschmelzung ineinander. Ein Teil von mir, der in ihn überginge und ihn nicht einfach im Magen nährte, sondern ihm sein Leben schenkte. Doch es ging immer noch um Blut, Blut, Blut!
„ Tut es weh?“, fragte ich ihn etwas zittrig.
„ Lea, was ist los? Du hättest mich so etwas früher niemals gefragt.“ Er sah besorgt aus.
„ Hat Gabriella dich von ihr trinken lassen?“, platzte es aus mir heraus. Ich hatte sie gesehen im Supermarkt. Ich hatte die Frau getroffen, mit der Tom einmal glücklich war, die er geküsst und neben der er im Bett gelegen hatte. Was hatten sie noch geteilt? Ich wusste nicht wieso, aber ich hoffte, dass sie eine solch intime Bindung niemals hatten.
Tom sah mich tief an, seine braungoldenen Augen sprachen Bände. Es war so viel Zuneigung in ihnen. Aber nicht für Gabriella, sondern… für mich.
Mein Herz wurde kein klaustrophobischer Vogel in seinem Rippengefängnis unter meiner Brust. Es schlug zwar hektisch, aber hoffnungsvoll. Nicht ängstlich. Ich hatte keine Angst vor Tom. Ich begriff, dass ich mich bei ihm sicher fühlte.
„Nein, ich habe nie von ihr getrunken.“
Er blickte kurz auf seine Hände, beinahe verlegen, als sprächen wir über seine Unschuld. Seine Augen fanden die Weite des Sees und er sah einen Moment in die wässrige Ferne. Sein Profil war so schön und rein. Sonnenlicht leuchtete ihn aus und wurde wellenartig vom Wasser reflektiert. Bewegliche Lichtspiele tanzten über sein Gesicht. Tom war für mich kostbar.
„Ich habe noch von keiner Frau getrunken“, sagte er, als er wieder zu mir aufsah. „Ich habe noch nie von irgendjemandem getrunken“, gestand er. Magie flirrte in der Luft zwischen uns, geheimnisvoll und sehnsüchtig wie eine verborgene Musik aus alten Träumen.
„ Aber du bist ein Vampir. Du kannst nicht leben ohne Blut.“ Ich war völlig verwirrt.
„ Lea, ich habe Blut getrunken, aber aus einem Glas. Ich gehe nur zu den Blutbanken.“
Ich wusste wovon er sprach. Es gab zwei kleine Filialen und ein großes Hauptgebäude in der Stadt. Vampire standen dort nicht wie Aussätzige in einer langen Schlange an, als wollten sie Essensmarken einlösen oder so. Aber vor langer Zeit hatten Menschen und Vampire ein friedliches Abkommen miteinander geschlossen. Es wunderte mich überhaupt, wie friedvoll unsere gemeinsame Geschichte war. Viele Vampire entschlossen sich, die Errungenschaften der modernen Welt zu nutzen, in der auch das Lagern von Blut zu den notwendigen Bedingungen möglich war. Sie gründeten erste Blutbanken und das Konzept hatte sich weltweit durchgesetzt. Vampire wurden unabhängig von menschlichen Vertrauten, wie sie früher der Fall waren. Sie brauchten keine Pakte mit ihnen einzugehen und gleichzeitig nahmen auch kriminelle Übergriffe einiger hungriger Vampire auf Menschen ab. Denn in der Vergangenheit hatten manche Vampire, die keine Vertraute fanden, sich in ihrem Überlebensdrang entschlossen, die Blutgabe auch gegen den Willen des Menschen durchzusetzen und ihn anzufallen. Es war ruhiger
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