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Lea

Titel: Lea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pascal Mercier
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Kontrolle zu bringen.
    ›Alors, c’était quoi, cette relation?‹
    Wie hätte ich es ihm erklären können? Wie könnte ich es irgend jemandem erklären?
    Marie, da bin ich sicher, hatte eine Beschreibung für ihre Beziehung zu Lea. Doch ich habe sie nie danach gefragt. Und eigentlich wollte ich es auch nicht wissen. Ich weiß, was ich sah und hörte, und ich weiß nicht, ob es darüber hinaus noch etwas zu wissen gibt. Marie war nicht zu kritisieren, das begriff ich schnell. Es war besser, nicht nach Marie zu fragen. Es war ausgeschlossen, nicht mit voller Konzentration zuzuhören, wenn von Marie die Rede war. Ungläubigkeit erschien auf Leas Gesicht, wenn ich etwas vergaß, das Marie betraf, und sei es nur eine Kleinigkeit. Es war ärgerlich, wenn jemand anderes sich erdreistete, Marie zu heißen. Es war undenkbar, daß Marie krank wurde. Es kam nicht in Frage, daß sie Urlaub machte. Ich wartete jeden Tag darauf, daß Lea ein Kleid aus Batik wollte und Kissen aus Chintz. Aber so einfach war es zwischen den beiden dann doch nicht.
    Überhaupt war es anders, als ich gedacht hatte. Wenn ich an späten Winternachmittagen manchmal vor Maries Haus stand und dem Schattenspiel hinter den Vorhängen zusah, das Marie und Lea aufführten, so fühlte ich mich ausgeschlossen und beneidete die beiden um den Kokon von Tönen, Worten und Gesten, in den sie mir eingesponnen schienen und in dem es keine Reibung und keine Gereiztheit gab, wie sie im Institut immer häufiger vorkamen, seit ich ohne viel Worte klargemacht hatte, daß es von nun an zuerst Lea geben würde, und dann noch einmal Lea, und erst dann das Labor.
    Ganz am Anfang habe ich einmal den Fehler gemacht und bei Marie geklingelt. Es waren die letzten fünf Minuten der Stunde, die ich dasaß und zuhörte. Nie habe ich irgendwo so gestört wie dort. Im Traum verließen Marie und Lea das Musikzimmer, nicht wütend, nicht vorwurfsvoll, nur sehr bestimmt, ganz miteinander beschäftigt und ohne einen Blick zurückzuwerfen; als sei dort nur leerer Raum. Es mußte eine vollkommene Harmonie zwischen den beiden geben, dachte ich fast zwei Jahre lang, und es gab Momente brennender Eifersucht, in denen ich nicht wußte, was mehr weh tat: daß mir Marie Lea wegnahm, oder daß Lea eine Schranke vor Marie aufrichtete, die ich nie würde überwinden können.
    So war es bis zu dem Tag, an dem Lea bei Krompholz die Dreiviertelgeige aussuchen sollte. Katharina Walther war nicht erbaut, daß Marie dabei war. ›Marie Pasteur. Ja, ja, Marie Pasteur‹, sagte sie bei meinem nächsten Besuch im Geschäft. Darüber hinaus habe ich ihr nie ein Wort entlocken können. Sie haben mir nicht gefallen, diese Worte, sie hatten etwas Allwissendes und Päpstliches, und an diesem Tag war ich nicht mehr sicher, ob ich ihre strenge Frisur mit dem Knoten im Nacken mochte. Jetzt jedoch verhielt sie sich korrekt, überkorrekt sogar, mit Blicken wie mit Worten. Keine Einmischung, keine Komplizenschaft, nichts.
    Lea probierte die drei Geigen nacheinander aus. Wie erwachsen und professionell sie wirkte im Vergleich mit unserem ersten Besuch hier! Als der erste Durchgang fertig war, begann der Prozeß der negativen Auslese. Die erste schied schnell aus. Lea tauschte einen Blick mit Marie, aber es wäre nicht nötig gewesen, wir alle hörten es. Die zweite klang gut, aber kein Vergleich mit der dritten. ›Erstaunlich für ein Instrument dieser Größe‹, sagte Marie. Es war unmöglich, daß Lea es nicht auch hörte, und tatsächlich hatte ihr Gesicht bei dem Klang, der soviel besser war als der ihres bisherigen Instruments, zu leuchten begonnen. Doch nun nahm sie noch einmal die zweite und spielte mehrere Minuten. Marie lehnte gegen den Ladentisch, die Arme verschränkt. Als ich die Szene später in Gedanken noch einmal durchging, war ich sicher, daß sie wußte, was kommen würde. ›Ich nehme diese‹, sagte Lea.
    Katharina Walthers Lippen öffneten sich, als wolle sie protestieren, aber sie sagte nichts. Und dann geschah es. Nach einigen Sekunden, in denen sie zu Boden geblickt hatte, die Geige noch in der Hand, hob Lea den Blick und sah Marie herausfordernd an. Ich kannte diesen Blick und kannte ihn nicht. Sie konnte ein eigensinniger Trotzkopf sein, das hatten Cécile und ich oft genug erfahren. Aber hier stand doch Marie, die unkritisierbare Marie. Und es tat Marie Pasteur weh. Es tat ihr so weh, daß sie mechanisch am Armreifen drehte und einmal zuviel schluckte.
    Am folgenden Tag ging Lea allein zu

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