Leahs Vermächtnis (Berg und Thal Krimi) (German Edition)
Position nicht, im Gegenteil, sie schaute den Studenten herausfordernd an.
Was für eine Frau! Ideal für das nächste Bild. Er fuhr mit der Hand in die Manteltasche und schloss sie um die Flasche. Leise knisterte die Plastikverpackung der Strümpfe. Die Frau gegenüber hatte Beine, die genau in dieses seidige Nichts passen würden. Es musste sich nur eine Gelegenheit finden, die Tropfen in den Kaffee zu geben.
Kaum hatte er es gedacht, stand sie auf, strich ihren Rock glatt und ging auf ihren Stöckelschuhen, den Hintern hin und her schwingend, zur Toilette. Er konnte sein Glück kaum fassen, als er ihr nachsah. Kaum war sie aus dem Blickfeld verschwunden, klappte der Spanner sein winziges Notebook zusammen, über dessen Rand er die Schöne beobachtet hatte. Es gab ja auch nichts mehr zu sehen. Als der Student das Café verlassen hatte, ging er auf den kleinen Tisch neben dem Stuhl zu, auf dessen Lehne der Mantel seines Modells lag. Er tat, als interessiere er sich für das dort zum Verkauf ausgelegte Buch »Trauminseln der Welt«. Während er darin blätterte, zog er die Flasche aus der Tasche. Drei Tropfen. Auf keinen Fall mehr, sonst würden sie zu schnell wirken. Er nahm das Buch und kehrte zu seinem Platz zurück. Jetzt würde er sie nicht mehr aus den Augen lassen.
***
Draußen war es bereits dunkel, und es begann zu schneien. Gerth betrat als Letzter den Besprechungsraum des Kommissariats. Er machte aus seinem Missfallen über ein derart spät angesetztes Meeting keinen Hehl. Obwohl direkt in Türnähe ein Platz frei war, ging er um den Tisch herum und zog geräuschvoll den Stuhl neben Stephanie Bohlmann unter. Als er sich gesetzt hatte, sagte er:
»Was gibt es denn Wichtiges, dass wir hier noch rumhocken müssen?«
Thal ignorierte die Bemerkung und nickte Bettina zu, die sich erhob und vier grüne Aktenmappen vom Tisch nahm.
»Fangen wir mit dem Fotografen an. Ich habe für alle, die mit diesem Fall beschäftigt sind, die drei Fotoserien ausgedruckt.«
Sie reichte je eine Mappe an Thal, Wagner und Bohlmann, die sie sofort öffneten. Gerth beugte sich zu seiner Nachbarin hinüber und starrte die Fotos an.
»Alter Schwede! Die würde ich auch nicht von der Bettkante stoßen.«
»Halt den Mund, Gerth!«
Thal warf dem Kollegen einen giftigen Blick zu, der sich daraufhin grinsend in seinem Stuhl zurücklehnte.
Bettina sprach weiter, als wäre nichts geschehen.
»Außerdem findet ihr in der Mappe die Aussage von Claudia Pech, dem dritten Opfer, sowie den Bericht der Ärztin, die sie untersucht hat. Als Letztes habe ich Grendels vorläufigen Bericht über die Durchsuchung der Praxis von Dr. Scheffel, in der die Fotos entstanden, sowie den Spurenbefund an Claudia Pechs Kleidung bekommen. Eine Kopie liegt ebenfalls in der Mappe.«
Bettina Berg wartete, bis alle die entsprechenden Seiten gefunden hatten.
»Besonders interessant sind zwei Punkte: Auf dem Zahnarztstuhl fanden sich an der Kopfstütze kleinere Blutspritzer. Der Blutgruppe nach könnten sie vom Opfer stammen, genauen Aufschluss bringt in den nächsten Tagen die DNA-Analyse. Es hilft uns nicht wirklich weiter, aber wenigstens wüssten wir dann, ob der Täter die Kleidung des Opfers in der Praxis zerschnitten hat. Zweitens besteht die Möglichkeit, dass sich Blutspuren auf der Kleidung des Täters befinden, was zu seiner Überführung beitragen kann.«
»Wenn ihr ihn denn hättet«, dröhnte Gerth in den Raum.
Thal schloss die Augen und atmete tief ein. Bevor er antworten konnte, setzte Bettina Berg ihren Bericht fort.
»Interessanter ist die zweite Spur. Auf dem Hemdglonkernachthemd des Opfers konnte Grendel Gamma-Hydroxy-Buttersäure nachweisen, besser bekannt als Liquid Ecstasy. Das Zeug wird häufig in K.o.-Tropfen verwendet. Nach dem Erwachen können sich die Opfer aufgrund einer ... wie hat Grendel das noch genannt ...«, Bettina Berg blickte in ihre Akte und suchte die Stelle, »... einer anterograden Amnesie nicht mehr an die Tat oder an den Tathergang erinnern.«
Bettina Berg schlug die Mappe zu und setzte sich.
Gerth schüttelte den Kopf.
»Und was bring uns das jetzt? Nichts! Das Zeug kann man an jeder Ecke kaufen.«
Ehe jemand zustimmen konnte, riss Thal das Gespräch an sich.
»Gute Arbeit, Bettina, danke! Auch wenn der Kollege Gerth es anders sieht: Wir sind in der Sache deutlich weitergekommen. Wir haben ein Opfer, lebendig und unversehrt. Und wir wissen mehr über die Vorgehensweise des Täters. Beides
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