Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg (German Edition)
Hause und überraschte mich, indem er das Seminar als »gar nicht so schlecht« bezeichnete. Am Ende des zweiten Tages war er schon so weit, Fred zu zitieren und machte Bemerkungen über unsere Kommunikation. Ich war geschockt; dieser Typ musste gut sein. Also rief ich Fred an, stellte mich vor und sagte: »Ich weiß nicht, was Sie tun, aber ich will, dass Sie das für mein Team bei Google tun.«
Fred kam zu Google, und seine Lehren haben meine Laufbahn und mein Leben verändert. Er ist einer der außergewöhnlichsten Denker in Sachen Führung und Management, die mir je begegnet sind. Viele der Konzepte in diesem Kapitel entstanden mit ihm und spiegeln seine Überzeugung wider, dass hervorragende Führung »bewusste« Führung ist.
Von Fred habe ich gelernt, dass effektive Kommunikation mit der Einsicht beginnt, dass es meine Sichtweise (meine Wahrheit) und die Sichtweise des anderen (seine Wahrheit) gibt. Nur sehr selten gibt es eine absolute Wahrheit. Wenn Menschen also meinen, die Wahrheit zu sagen, bringen sie die anderen zum Verstummen. Wenn wir anerkennen, dass wir die Dinge nur aus unserer eigenen Perspektive sehen können, können wir unsere Ansichten auf nicht bedrohliche Weise mitteilen. Meinungsäußerungen als Ich-Botschaft formuliert, sind immer konstruktiver. Vergleichen Sie diese beiden Aussagen: »Du nimmst meine Vorschläge nie ernst« – »Es frustriert mich, dass du meine vier letzten E-Mails nicht beantwortet hast. Dadurch habe ich den Eindruck, dass meine Vorschläge für dich nicht sonderlich interessant sind. Stimmt das?« Ersteres kann ein schnelles und defensives »Das ist nicht wahr!« hervorrufen. Letzteres ist viel schwieriger zu verneinen. Die eine Botschaft provoziert eine Meinungsverschiedenheit, die andere führt zu einem Gespräch. Ich wünschte, ich könnte diese Perspektive in all meiner Kommunikation einnehmen. Leider gelingt mir das nicht immer, aber ich arbeite daran.
Der Wahrheit dient man auch leichter, indem man eine einfache Sprache verwendet. Die Bürosprache enthält oft Abschwächungen und Floskeln, die nicht nur den Einstieg in den Redebeitrag zunichtemachen können, sondern das gesamte Argument. Es hat schon seine Gründe, dass Komödien wie Alles Routine so realitätsnah erscheinen. Die Leute haben Angst davor, anderen zu nahe zu treten, vor allem dem Chef, und halten sich deswegen zurück. Anstatt zu konstatieren: »Ich bin mit unserer Expansionsstrategie nicht einverstanden«, sagen sie: »Wiewohl ich glaube, dass es sehr gute Gründe dafür gibt, dass wir in dieses Geschäftsfeld hineingehen wollen, und ich überzeugt davon bin, dass die Verantwortlichen eine sorgfältige Return-On-Investment-Analyse vorgenommen haben, bin ich mir nicht sicher, ob wir die Gesamtheit der nachgelagerten Auswirkungen dieses Schritts zum jetzigen Zeitpunkt tatsächlich vollständig durchdacht haben.« Wie bitte? Angesichts dieser ganzen Vorsichtsmaßnahmen ist es schwer zu entschlüsseln, was der Sprecher tatsächlich denkt.
Wenn man harte Wahrheiten verkündet, ist weniger oft mehr. Vor einigen Jahren beschloss Mark Zuckerberg, Chinesisch zu lernen. Er übte mit einer Gruppe Facebook-Angestellter, die Muttersprachler waren. Man könnte meinen, dass Marks eingeschränkte Sprachkenntnisse verhindert hätten, dass diese Gespräche einen weitreichenderen Nutzen haben. Stattdessen gestatteten sie ihm jedoch tiefere Einblicke in Vorgänge in der Firma. Zum Beispiel versuchte eine der Frauen, Mark etwas über ihren Vorgesetzten zu erzählen. Mark verstand es nicht, weswegen er »einfacher, bitte« sagte. Daraufhin sagte sie es noch einmal anders, aber er verstand immer noch nichts und bat sie daher, sich noch einfacher auszudrücken. Das wiederholte sich einige Male. Am Ende verlor sie die Geduld und stieß einfach hervor: »Mein Vorgesetzter ist schlecht!« Sie sprach immer noch Chinesisch, aber eben einfach genug, dass Mark sie verstand. Wären mehr Leute so deutlich, würde sich die Leistung vieler Organisationen dramatisch verbessern.
Die Fähigkeit zuzuhören ist genauso wichtig wie die Fähigkeit zu sprechen. Seit frühester Kindheit brachte meine Mutter meinen Geschwistern und mir bei (genauer gesagt: sie zwang uns) Streits bei, die Position des jeweils anderen wiederzugeben, bevor wir darauf antworteten. Zum Beispiel stritten meine Schwester und ich uns einmal wegen eines Lutschers. »Sheryl hat den letzten Lutscher aufgegessen!«, schrie Michelle. »Aber sie hat gestern einen
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