Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg (German Edition)
dessen unkonventionelle Kultur bewahren. Die meisten Konzerne lieben PowerPoint-Präsentationen, also regte ich an, für Besprechungen mit mir keine Präsentation vorzubereiten und stattdessen mit einer einfachen Themenliste zu kommen. Die Anregung wiederholte ich recht häufig, doch trotzdem schien in jeder Besprechung eine detaillierte PowerPoint-Präsentation vorzukommen. Nach mehr als zwei frustrierenden Jahren verkündete ich, dass ich jetzt, obwohl ich Regeln hasse, eine Regel festlegen würde: kein PowerPoint mehr in meinen Besprechungen.
Einige Wochen später, als ich mich auf ein Meeting mit unserem weltweiten Vertrieb vorbereitete, kam die versierte Facebook-Personalerin Kirsten Nevill-Manning zu mir. Kirsten fand, ich sollte wissen, dass ganz Europa über mich verärgert war. Tatsächlich? Ich hatte einen ganzen Kontinent gegen mich aufgebracht? Sie erklärte mir, dass Kundentermine ohne PowerPoint sehr schwierig seien und fragte, warum ich eine dermaßen dumme Regel festgelegt habe. Ich erklärte, dass diese Regel doch lediglich bei Präsentationen für mich gelten solle. Aber so wie das Goldman-Team »Gold gleich gut« gehört hatte, hat das Facebook-Team »PowerPoint gleich schlecht« gehört. Ich trat vor unserem gesamten Vertriebsteam auf die Bühne und entschuldigte mich für das Missverständnis. Außerdem sagte ich, dass sie bei schlechten Ideen – selbst wenn sie glauben, diese kämen von Mark oder mir – entweder dagegen protestieren oder aber die Idee ignorieren sollen.
Es ist schon schwierig, einen offenen Dialog über unternehmerische Entscheidungen zu führen. Noch schwieriger ist es, Menschen ehrliches Feedback zu geben. Das gilt für Berufseinsteiger, altgediente Führungskräfte und alle dazwischen. Hilfreich ist dafür, sich in Erinnerung zu rufen, dass Feedback, genau wie die Wahrheit, nicht absolut ist. Feedback ist eine auf Beobachtungen und Erfahrungen basierende Meinung, die uns Erkenntnisse ermöglicht über den Eindruck, den wir auf andere machen. Derartige Informationen sind aufschlussreich und potentiell unangenehm, weshalb wir alle lieber Leuten Feedback geben, die dafür offen sind. Wenn ich jemandem etwas mitteile oder empfehle und diese Person reagiert negativ – und sei es, dass sie sich nur erkennbar verspannt – , lerne ich schnell, mir meine Kommentare für Angelegenheiten aufzuheben, die wirklich wichtig sind. Aus diesem Grund bewundere ich auch Molly Grahams Haltung so sehr. Molly kam 2008 zu Facebook und hatte seither eine ganze Reihe von Positionen innerhalb des Unternehmens inne, in der Kommunikation, der Personalabteilung und bei den mobilen Produkten. In all diesen sehr verschiedenen Bereichen hat sie Hervorragendes geleistet, und zwar nicht nur, weil sie einmalig talentiert ist, sondern auch, weil sie immer dazulernt. Eines Tages hatten sie und ich zu einem schwierigen Kundengespräch eingeladen. Sie führte uns erfolgreich durch die Diskussion, und als der Kunde gegangen war, lobte ich sie für ihre Leistung. Sie machte eine Pause und sagte: »Vielen Dank. Aber Sie haben doch sicher auch Vorschläge, was ich hätte besser machen können.«
»Was kann ich besser machen?«, »Was tue ich, das mir nicht bewusst ist?«, »Was tue ich nicht , ohne es zu merken?«. Diese Fragen beinhalten so viel Potential. Und glauben Sie mir, die Wahrheit tut weh. Selbst wenn ich explizit um Feedback gebeten habe, kann sich jede Bewertung hart anfühlen. Aber die Vorteile schmerzhaften Wissens sind deutlich größer als die Nachteile seligen Nichtwissens.
Um Rat zu bitten kann auch beim Aufbau von Beziehungen helfen. Mir war klar, dass der bestimmende Faktor für meinen Erfolg bei Facebook mein Verhältnis zu Mark sein würde. Als ich dort anfing, bat ich Mark daher, mir jede Woche Feedback zu geben, damit alles, was ihn störte, sofort zur Sprache kam. Mark sagte nicht nur ja, sondern wollte, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhen sollte. Während der ersten Jahre hielten wir uns an diese Prozedur und sprachen jeden Freitagnachmittag über große und kleine Anliegen. Im Laufe der Jahre wurde das Mitteilen ehrlicher Reaktionen zu einem prägenden Aspekt unseres Verhältnisses. Heute machen wir das in Echtzeit, statt bis zum Ende der Woche zu warten. Ich will nicht behaupten, dass alle Beziehungen so viel Feedback brauchen – man kann da auch zu viel verlangen – , aber für uns war es von entscheidender Bedeutung.
Dass offen für die Wahrheit zu sein auch bedeutet,
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