Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg (German Edition)

dir zu sagen, wenn du ungeduldig wirst und den Teams zu viel Druck machst. Ich finde, gerade tust du das.« Wenn ich nie so etwas gesagt hätte, würde dann jemals irgendwer bei Facebook zu mir kommen und verkünden: »Hey, Sheryl, beruhige dich! Du machst uns alle wahnsinnig!« Irgendwie bezweifle ich das. Sie würden es denken. Sie würden es vielleicht zueinander sagen. Aber sie würden es nicht zu mir sagen.
    Indem man Menschen öffentlich für ihre Offenheit und Ehrlichkeit dankt, ermutigt man sie, sich auch in Zukunft so zu verhalten. Gleichzeitig ist öffentlicher Dank eine starke Botschaft an andere. Bei einer Besprechung mit vielleicht sechzig Facebook-Ingenieuren und Technikern erwähnte ich mein Interesse daran, auf der ganzen Welt weitere Facebook-Büros zu eröffnen, insbesondere in einer bestimmten Region. Da in der Gruppe auch Vertreter der Sicherheitsabteilung waren, fragte ich, was ihnen am meisten Sorge bereiten würde. Ohne direkt angesprochenen gewesen zu sein, platzte Chad Greene heraus: »Genau in dieser Region ein Facebook-Büro aufzumachen.« Vor der versammelten Mannschaft erläuterte er, warum das nicht funktionieren würde und weshalb ich auf dem Holzweg sei. Ich fand das großartig. Wir waren uns nie zuvor begegnet, und dieses denkwürdige erste Zusammentreffen werde ich nie vergessen. Ich bedankte mich für seine Offenheit und postete die Geschichte dann auf Facebook, um den Rest des Unternehmens zu ermutigen, seinem Beispiel zu folgen. Mark Zuckerberg geht es genauso. Bei einem Sommerfest vor vier Jahren sagte ein Praktikant zu Mark, dass er an seinen Fertigkeiten als Redner arbeiten solle. Mark dankte ihm vor allen und ermunterte uns, dem Praktikanten eine Vollzeitstelle anzubieten.
    Humor kann ein hervorragendes Werkzeug sein, um eine ehrliche Botschaft auf freundliche Weise zu überbringen. Eine aktuelle Studie hat sogar ergeben, dass »Sinn für Humor« der am häufigsten benutzte Ausdruck ist, um die erfolgreichsten Führungspersönlichkeiten zu beschreiben. 2 Ich habe so oft beobachten können, wie Humor zum Ziel führt. Nachdem sie unter Obama im Weißen Haus gearbeitet hatte, kam Marne Levine zu Facebook, um den Bereich Global Public Policy zu leiten. Marne ist ein Profi, parkettsicher und extrem kompetent. Während ihrer ersten Woche im neuen Job sollte ein Kollege aus einem anderen Team den Entwurf für einen kurzen Text vervollständigen, der für eine Anhörung im Kongress benötigt wurde. Der Kollege kam nicht zu Potte. Immer wieder kam er zu Marne und stellte Fragen, die sie freundlich beantwortete. Dann wartete sie, aber es kam kein Text. Als er schließlich erneut mit einer Frage zu ihr kam, drehte sie sich mit einem breiten Lächeln zu ihm um und sagte: »Ich werde alle Ihre Fragen beantworten. Wirklich, das werde ich. Aber jetzt im Augenblick gibt es nur eine Sache, die verhindern kann, dass ich vor Ihren Augen zusammenbreche und einen Herzinfarkt bekomme. Und zwar: dass Sie aufstehen, zu Ihrem Schreibtisch zurückgehen und die Zeilen schreiben, die wir für den Kongress brauchen.« Das hat wunderbar funktioniert.
    Ein Kollege bei Google, Adam Freed, und ich waren frustriert wegen einer Person im Büro, die unsere Aufgaben sehr kompliziert machte. Ich traf mich mehrere Male mit ihr und erklärte aufrichtig, ich habe den Eindruck, dass sie jeden einzelnen unserer Schritte im Nachhinein anzweifele und so verhindere, dass wir vorwärtskämen. Während jeder dieser freundlichen Unterhaltungen hörte sie zu, nickte und dankte mir für meine Offenheit. Jedes Mal ging ich hinterher davon und fühlte mich besser. Und jedes Mal wurde es danach noch schlimmer. Adam wählte eine völlig andere Strategie. Er lud sie zum Mittagessen ein. Sie trafen sich im Google-Café, unterhielten sich ein wenig, dann schaute er sie an und fragte scherzhaft: »Warum magst du mich nicht?« Wo ich wiederholt gescheitert war, schaffte Adam den Durchbruch. Sie fragte, warum er diesen Scherz gemacht habe. Das wiederum gab ihm die Gelegenheit, alles auf eine Art und Weise zu erklären, die sie nachvollziehen konnte.
    Leider lässt uns unser Sinn für Humor manchmal gerade dann im Stich, wenn wir ihn besonders nötig hätten. Wenn ich emotional werde, fällt es mir sehr schwer, ein Problem leichtzunehmen. Ich war seit ungefähr drei Monaten bei Google, als sich eine unangenehme Situation ergab. Als ich in der Firma anfing, war Eric Schmidt mein Vorgesetzter, doch dann wurde ich versetzt und arbeitete