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Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Titel: Leander und der tiefe Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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von Möwen oder Austernfischern, was bei einsetzender Ebbe ungewöhnlich
war, denn nun wurde der Wattboden freigegeben und damit Millionen von
Futtertieren. Jetzt kam das Treppengebilde in Sicht, von dem Eiken Jörgensen
gesprochen hatte und das die modern gepflasterte Strandpromenade durch eine
hohe rote Backsteinmauer mit dem Park verband. Durch sie hindurch betrat Leander
den Gmelin-Park, der einem Schild zufolge in Wahrheit Nordsee-Kurpark hieß und
nur im Volksmund der Insel noch den Namen seines Gründers führte.
    Linkerhand lag ein kleiner spartanischer Spielplatz, eigentlich
nur eine große Holzeisenbahn aus Baumstämmen, eine Wippe und eine Schaukel,
alles auf einer mageren Wiese aufgebaut. Selbst im Sommer sah das hier sicher
nicht viel lebendiger aus. Geradeaus führte der Weg zwischen hohen Bäumen und
versteckt liegenden Holzhäusern hindurch. Im diffusen Sonnenlicht hüpften
Kaninchen über den Rasen und blieben immer wieder sitzen, um an den mageren
Halmen zu knabbern. An dem dick vermummten Spaziergänger nahmen sie keinen
Anstoß, solche Gestalten schienen sie gewohnt zu sein.
    Leander folgte dem immer wieder verzweigenden Weg in das Innere
des Parks, der mit südländischen Pflanzen wie Zedern bewachsen war, von denen
er bisher angenommen hatte, dass sie nur am Mittelmeer, an der Nordsee aber
kaum überleben konnten. Vor neuen Ferienhäusern, die offenbar den ganzen Park
umgaben, machte der Weg eine Biegung nach rechts. Wo jetzt gut zahlende
Urlauber in kleinen Doppelhäusern wohnten, musste einmal das Nordsee-Sanatorium des Arztes Dr. Gmelin gestanden haben, eine Spezialklinik für
Lungenkrankheiten, errichtet 1898. Dr. Gmelin hatte mit ihr und mit den
mediterranen Pflanzen im Park bewiesen, dass das Nordseeklima nicht nur gesund
war, sondern sogar eine heilende Wirkung besaß – das hatte Leander der
Infotafel am Eingang des Parks entnommen. Jetzt bemühte sich die Stadt Wyk, das
Bemühen Dr. Gmelins fortzusetzen.
    Leander zog sich wieder in
das Innere des Parks zurück und setzte sich am Rande einer großen Lichtung mit
einem Gedenkstein für den berühmten Arzt auf eine Bank in der Sonne. Hier hatte
der kalte Wind keine Chance, und so genoss Leander die relative Wärme und
entfaltete seine Zeitung.
    Im Zentrum der Berichterstattung stand der nahende
Jahreswechsel, als wäre es ein besonderes und nicht ein jährlich
wiederkehrendes Ereignis. Weitschweifig wurden die zahlreichen Aktivitäten
erläutert, die die Insel vor allem den Touristen bot, angefangen bei
Einzelveranstaltungen in den Bars und Restaurants bis hin zum großen
Silvesterball im Kurhaus mit Buffet und Tanz. Einen Moment lang überlegte
Leander, ob er die fünfundsiebzig Euro erübrigen sollte, um den Jahreswechsel
nicht alleine verbringen zu müssen und vielleicht Bekanntschaften schließen zu
können, aber er verwarf den Gedanken schnell wieder, da er für solche
Veranstaltungen noch nie etwas übrig gehabt hatte. Außerdem würden eh nur
Touristen und einige Möchtegern-Inselgrößen dort sein, auf deren Bekanntschaft
er gerne verzichtete. Vielleicht konnte er ja Lena überreden, bis zum
Jahreswechsel zu bleiben, schließlich wollte sie ohnehin zu den Feiertagen auf
die Insel kommen. Er nahm sich vor, das bei ihrem nächsten Telefonat anzusprechen.
    Auf der dritten Seite, die
klassischerweise für den Politikbereich stand, kündigte der Naturschutzbund in
Zusammenarbeit mit der Schutzstation Wattenmeer ihren alljährlichen Flammenden
Protest für die Nordsee an. Die Naturfreunde unter den Insulanern und
Gästen wurden aufgerufen, sich am ersten Januar um sechzehn Uhr auf dem Rathausplatz
einzufinden. Dort würden einige kurze Ansprachen gehalten, denen dann ein
Fackelzug folgen sollte, der sich über die Promenade bis zum Südstrand und dann
durch die Badestraße und die Innenstadt zurück zum Rathausplatz bewegen sollte.
Auch Eiken Jörgensen kam in dem Artikel zu Wort und lobte den großen Erfolg der
Veranstaltung im letzten Jahr. Dass die Nordsee-Anrainer-Staaten ihr Verhalten
nicht geändert und die Verschmutzung der Nordsee nicht begrenzt hatten, sei für
sie kein Beweis für die Erfolglosigkeit solcher symbolischer Akte, sondern eher
ein Ansporn, nicht nachzulassen. Ein Foto von dem letzten Fackelzug, auf dem
der Sandwall regelrecht illuminiert wirkte, krönte den Artikel.
    Eine kleine Annonce auf der vorletzten Seite erinnerte Leander
schließlich daran, dass er sich für das Skatturnier anmelden wollte, das am
21.12.

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