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Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Titel: Leander und der tiefe Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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Henning
Leander, auf. Auch hier hatte der alte Mann ein lückenloses Dossier angelegt,
von der ersten kleinen Erwähnung in der Hamburger Morgenpost über
die Vereidigung neuer Polizeianwärter, unter denen sich auch Henning Leander befand,
über seine Beförderungen bis hin zu den Berichten über seine mehr oder weniger
erfolgreiche Arbeit im Kampf gegen das organisierte Verbrechen, die er für das
LKA in Kiel leistete.
    Heinrich Leander hatte indirekt dauerhaft den Kontakt zu seiner
Familie gehalten. Er war informiert gewesen, auch wenn es all die Jahre keine
persönlichen Treffen gegeben hatte. Und er war offensichtlich stolz auf seinen
Sohn und seinen Enkel gewesen, von denen der eine nichts mehr von ihm hatte
wissen wollen und der andere wirklich nichts von ihm gewusst hatte. Wie musste
der alte Mann unter der Situation gelitten haben! Und wie sehr musste er sich gefreut
haben, als Leander im Sommer endlich zu ihm gefunden hatte! Jetzt war er tot,
bevor sie einander etwas hätten geben können.
    Als Leander auf die Uhr schaute, war es fast halb acht, höchste
Zeit, zum Wrixumer Hof aufzubrechen, zumal er bis dahin noch ein
schönes Stück Weg vor sich hatte, das er zu Fuß zurückzulegen gedachte. Der
Skatabend würde ihm guttun und die nötige Abwechslung zu der Recherche in den
Unterlagen seines Großvaters bringen.
     
    Die Gaststätte quoll fast über vor Menschen, die durcheinander
und dicht gedrängt zwischen leeren Tischen im Raum herumstanden. Leander schob
sich bis zum Tresen vor und fragte nach dem Preisskat. Die Bedienung deutete
mit dem Kopf auf einen älteren Herrn, der auf einem Barhocker saß und etwas in
eine Kladde kritzelte.
    »Das ist der Präsident«, rief sie Leander durch das Stimmengewirr
zu.
    Leander wandte sich an den Mann und erfuhr, dass er ein
Startgeld von fünf Euro zahlen müsse, dann werde er einem Tisch zugelost. Er
zahlte die geforderte Summe, der Mann notierte seinen Namen zunächst in seiner
Kladde, dann auf ein Kärtchen und warf Letzteres in einen Sektkühler aus
durchsichtigem Plastik, der vor ihm auf der Theke stand. Dann rutschte er von
seinem Hocker und drängte sich durch die Menge der wartenden Skatspieler
entlang der Tische, um auf jeden Tisch eine Blechplakette mit einer Nummer und
ein verpacktes Skatspiel zu werfen.
    Wieder an seinem Platz, griff er wichtigtuerisch mit erhobenem
Haupt nach einer Handglocke und schüttelte sie so kräftig, dass augenblicklich
Ruhe einkehrte und alle auf ihn schauten. In dieser Stille hallte die Glocke in
Leanders Ohren heftig nach und hinterließ das altbekannte Rauschen, von dem er
wusste, dass er es nun den ganzen Abend nicht wieder loswerden würde, und das
im schlimmsten Fall sogar zu einem tinnitusartigen Dauerpfeifen anschwellen
konnte. Na prima, das fing ja gut an mit dem Präsidenten.
    »Ich begrüße im Namen der Wyker Skatfreunde alle
Teilnehmer des diesjährigen Weihnachts-Preisskats«, hob der Präsident mit einem
tiefen präsidialen Bass an. »So zahlreich wie in diesem Jahr waren wir noch
nie! Ich habe soeben die Tischnummern verteilt und werde nun jedem Tisch drei
Spieler zulosen. Zahlenmäßig fehlt heute ein Skatbruder, so dass ich
ausnahmsweise mitspielen werde. Hat jemand vor diesem Hintergrund Einwände
dagegen, dass ich selbst die Tische auslose?«
    Zustimmendes Gemurmel bestätigte dem Präsidenten das
uneingeschränkte Vertrauen aller. Zufrieden nickend, als habe er
selbstverständlich auch nichts anderes erwartet, griff er nach dem Sektkühler.
    »Ich lose jetzt also die Tischnummer 1 aus.«
    Er griff hinein, wirbelte die Karten mächtig durcheinander und
kramte sie von oben nach unten, zog nacheinander drei Kärtchen heraus und las
die Namen vor. Die Aufgerufenen drängten sich zu ihrem Tisch durch und nahmen
Platz. Im Laufe der nächsten Minuten füllten sich so die Tische und der Raum
machte plötzlich einen absolut geordneten und übersichtlichen Eindruck.
    »So«, verkündete der Präsident abschließend, »die Regeln sind
hoffentlich allen klar. Wir spielen streng nach der Deutschen Skatordnung.
Gespielt werden zwei Serien, die zweite Tischbesetzung wird nach dem ersten
Durchgang ausgelost. Gequatscht wird nicht, wer sich verwirft oder falsch
anspielt, hat verloren. Jeder Tisch wählt einen Schriftführer, der nach der
Serie die Punkte zusammenzählt und die Ergebnisse von allen gegenzeichnen
lässt. Die Platzierung wird dann wieder von mir vorgenommen. Meine eigenen
Punkte fallen selbstverständlich aus

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