Leander und der tiefe Frieden (German Edition)
dann endgültig zum Eklat. Nun hatte
Erwin einen Grand. Leander spielte das Kreuz-Ass auf, woraufhin Tönnes wieder
seine Karten auf den Tisch warf.
»Scheiße!«, fluchte Erwin. »So ein sattes Spiel mit Vieren!«
»Was hast du denn gemacht?«, erkundigte sich Leander, der
inzwischen gelernt hatte, dass man hier für jeden kleinen Fehler hart bestraft
wurde, und in Erwin nun einen Leidensgenossen wähnte.
»Ich?«, donnerte Erwin. »Was ich gemacht habe? Du!! Tönnes
hatte das Aufspiel, nicht du!«
»Und deshalb schmeißt du hin?«, fragte Leander fassungslos
Tönnes.
»Falsches Aufspiel ist verboten«, erklärte Tönnes trocken, »und
mit dem sicheren Grand hätte Erwin vorne gelegen.«
Der Priester lachte schallend, beugte sich zu Leander herüber
und klopfte ihm auf die Schulter.
Am Ende der ersten Runde war es nicht verwunderlich, dass
Tönnes und Erwin weit über tausend Punkte hatten, Leander aber nur knapp
dreihundert.
»Neue Serie, neues Glück«, meinte Erwin versöhnlich.
»Aber an einem anderen Tisch«, bestimmte Tönnes und blickte
Leander grimmig an. »Wann reist du wieder ab?«
»Ich bleibe«, erklärte Leander.
»Wie lange?« Tönnes schaute ihn mit erschrocken aufgerissenen
Augen an.
»Vielleicht für immer«, setzte Leander nach, »und ich glaube,
ich werde in euren Skatclub eintreten. Es geht doch nichts über gute
Skatbrüder!«
Vom Nebentisch erscholl wieder das donnernde Lachen des
Priesters, der sichtlich Spaß daran hatte, dass Tönnes kurz vor einem
Herzinfarkt stand.
In der zweiten Serie spielte
Leander mit zwei Männern, die etwa in seinem Alter und ebenfalls Urlauber
waren. Er riss sich nun zusammen, obwohl es hier bei Weitem nicht so ernst
zuging wie unter den Einheimischen, spielte nur sichere Spiele, hielt den Mund
und achtete höllisch auf das Aufspiel. Am Ende hatte er fast tausend Punkte,
was natürlich zusammen mit der ersten Serie bei der Preisverleihung nicht zu
einer Platzierung reichte. Die alte Dame hatte den ersten Platz und gewann
einen Turbinen-Staubsauger. Der Priester bekam auf Rang zwei eine
Schlagbohrmaschine, was für allgemeine Erheiterung sorgte. Tönnes belegte den
dritten Platz, und das wurmte Leander. Andererseits hatte er durch sein
Mitspielen in der ersten Serie vielleicht sogar verhindert, dass Tönnes Erster
geworden wäre. Das versöhnte ihn wieder einigermaßen. Er beschloss, in Zukunft
lieber gar nicht mehr Skat zu spielen, als noch einmal an solchen Veranstaltungen
teilzunehmen, denn so machte ihm das Spielen keinen Spaß.
Leander war froh, als er gegen dreiundzwanzig Uhr wieder in der
klaren, kalten Winterluft auf der Dorfstraße vor dem Wrixumer Hof stand. Er schlug den Mantelkragen hoch und fröstelte nach der stickig warmen
Luft in der Kneipe. Leise, aber stetig pfiff es in seinem linken Ohr. Das würde
er frühestens morgen früh wieder los sein.
»War nicht Ihr Abend, was?«, vernahm Leander eine Stimme direkt
neben sich, und als er sich umwandte, stand da der Priester mit seinem
Schlagbohrmaschinenkarton unter dem Arm. Der Mann war mehr als zwei Köpfe kleiner
als Leander und grinste listig zu ihm herauf.
»Das war mein erster und letzter Preisskat«, erklärte Leander
abweisend. »Ich liebe Skat, aber diese Art zu spielen ist alles andere als
lustig.«
Dann deutete er auf den Gewinn in der Hand des Priesters und
fuhr versöhnlicher fort: »Aber Sie waren ja ganz erfolgreich.«
»Ich kann mich auf die Regeln einstellen«, entgegnete der
Priester grinsend. »Es ist halt immer die Frage, was man will: Spaß oder
Erfolg. Manchmal muss man mit dem Teufel paktieren, wenn man ihn besiegen
will.«
»Und? Wie viele Kaffeemaschinen und Schlagbohrer haben Sie
schon?«
»An Kaffeemaschinen reicht es für dieses Leben, allerdings
werden sich meine Nachbarn über die Schlagbohrmaschine ärgern, was mich
wiederum umso mehr freut. Macht doch ordentlich Krach, so’n Ding.«
Der Priester stieß ein meckerndes Lachen aus und klopfte
Leander versöhnlich auf die Schulter.
»Wenn Sie Skat spielen und dabei auch noch Spaß haben wollen,
kommen Sie am Dienstag um neunzehn Uhr dreißig ins Kleine Versteck .
Kennen Sie das?«
»Nein«, antwortete Leander.
»Ist gleich bei Ihnen um die Ecke in der Mühlenstraße, Sie werden
es finden.«
Mit diesen Worten wandte sich der Priester mit der Bohrmaschine
unter dem rechten Arm in Richtung Parkplatz.
»Woher wissen Sie, wo ich wohne?«, rief Leander ihm nach.
Der Priester winkte mit der freien Hand
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