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Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Leander und der tiefe Frieden (German Edition)

Titel: Leander und der tiefe Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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hatte, also wieder keinen Trumpf herausgelockt
hatte, musste er selbst mit Trumpf kommen und bekam damit keinen Stich mehr.
    Die Abrechnung war entsprechend niederschmetternd. Tönnes warf
Erwin seine gewonnenen Stiche hinüber, erklärte kurz: »Dreiundsiebzig«, und
wartete dann wieder wortlos mit auf den Tisch gerichtetem Blick auf das nächste
Spiel.
    »Ohne einen, macht zwei, verloren vier, mal Pik, macht
vierundvierzig«, rechnete Erwin vor und trug die Zahlen in die Tabelle ein.
»Erstes verlorenes Spiel für dich. Du weißt, dass verlorene Spiele doppelt
teuer sind?«
    »Wieso?« Leander hatte keine Ahnung.
    »Am Ende kostet dich jedes verlorene Spiel fünfzig Punkte extra
und jedes gewonnene bringt uns nochmal fünfundzwanzig.«
    Leander rechnete kurz nach und konnte nicht glauben, was er da
auf sich zukommen sah.
    »Wie soll man das denn wieder aufholen, wenn so ein lächerlicher
verlorener Pik einhundertneunzehn Punkte Abstand bedeutet?«, erhitzte er sich.
    »Eben«, murrte Tönnes. »Man spielt auch nicht, wenn man kein
Blatt hat!«
    »Aber Mauern ist erlaubt«, konterte Leander in Anspielung auf
Tönnes’ fünf Trümpfe.
    »Wer mauert denn hier?«, erkundigte sich Erwin. »War halt gut
für uns verteilt.«
    Leander verzichtete auf eine Antwort und nahm seine neuen
Karten auf: drei Bauern, alle vier Asse, zwei Zehnen und einen passenden König.
Das Spiel würde er sich nicht nehmen lassen. Jetzt würde er den beiden Trotteln
einmal zeigen, was eine Harke ist!
    »Aber jetzt!«, triumphierte er. »Den Grand nimmt mir keiner!«
    Tönnes warf wortlos seine Karten auf den Tisch, und Erwin
fragte ungerührt: »Mit wie vielen wäre der gewesen?«
    »Was?« Leander fühlte, wie sein Adrenalinspiegel gefährlich
anstieg. »Was ist denn jetzt los?«
    »Du hast verloren«, erklärte Tönnes trocken.
    »Verloren? Wieso verloren? Wir haben doch noch gar nicht
gespielt!«
    »Labern ist verboten«, erklärte Erwin. »Hast unsern Präsidenten
ja eben gehört.«
    Leander sprang auf, feuerrot vor Wut im Gesicht. Das Rauschen
in seinen Ohren schwoll zu einem Pfeifton an.
    »Aussteigen ist nicht«, sagte Erwin ungerührt und zog ihn am
Arm wieder auf den Stuhl zurück. »Hier wird bis zum letzten Spiel
durchgehalten, schließlich brauchen Tönnes und ich die Punkte.«
    Leander kochte, spielte aber weiter. Als er einen Karo ohne
zwei bis siebenundzwanzig reizte und damit Tönnes ausstach, der bei
vierundzwanzig aussteigen musste, wurde der sauer, obwohl Leander das Spiel nur
knapp verlor.
    »Macht mir meinen Kreuz kaputt«, brummte er. »Und das für so’n
Scheiß!«
    Leander blickte Erwin fragend an, der zuckte die Schultern und
sagte: »Eigene Pluspunkte kriegst du nur, wenn du gewinnst. Da zählt halt jedes
sichere Blatt. Klar, dass Tönnes da sauer wird, wenn du ihm seinen sicheren
Kreuz mit einem kaputten Karo wegnimmst.«
    Leander hatte die Nase voll. Diese Serie war für ihn ohnehin
gelaufen. Er beobachtete von nun an lieber die Spieler in den anderen Runden,
in denen es offenbar keine solchen Vorfälle gab. Am Tisch links von ihm saß
eine alte Dame von mindestens achtzig Jahren. Sie machte fast jedes Spiel und
gewann immer souverän. Dabei sprach sie kein Wort mehr als unbedingt notwendig.
Das schien hier so eine Art ungeschriebenes Gesetz zu sein. Am Tisch zur
rechten Seite saß ein Priester, der Leander schon seinerseits die ganze Zeit
über beobachtet zu haben schien und süffisant zu ihm herüberlächelte. Über
seinem weißen Kragen thronte ein kleiner runder Kopf mit buschigen Brauen und
hellwachen, pfiffigen Augen, die in der Kneipenbeleuchtung lustig blitzten.
    In einem der nächsten Spiele hatte Leander alle vier Siebenen,
vier Achten, eine Zehn und einen Buben auf der Hand. Er reizte hoch bis über
zweiundsiebzig und ließ damit erneut einen grimmigen Tönnes hinter sich, der
offenbar das Gegenblatt und einen sauberen Grand auf der Hand hatte.
    »Revolution«, verkündete Leander siegessicher, woraufhin Tönnes
die Karten auf den Tisch warf, etwas Unverständliches fluchte und mit der Faust
auf die Tischplatte donnerte.
    »Was ist denn nun schon
wieder?«, erkundigte sich Leander.
    »Revolution gibt es beim Turnierskat nicht«, erklärte Erwin
gelassen, der offenbar froh war, dass er Tönnes’ Grand nicht hatte über sich
ergehen lassen müssen. »Das heißt: Du hast verloren.«
    Der Priester am Nebentisch schlug sich lachend auf die Schenkel
und kniff Leander ein Auge zu.
    Im vorletzten Spiel kam es

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