Leander und der tiefe Frieden (German Edition)
Kaufurkunde für das Haus in der Wilhelmstraße sind. Ihr Großvater
hat dies ausdrücklich zur Auflage gemacht. Das gilt auch für die Kaufurkunde
des Kutters, zumal wir da Versicherungsansprüche geltend machen können.«
Leander nickte und fragte sich insgeheim, warum sein Großvater
Wert darauf gelegt haben sollte, dass er die Kaufurkunden mit zur
Testamentseröffnung brachte. Das ergab doch überhaupt keinen Sinn.
»Gut«, fuhr Petersen fort. »Ich öffne nun in Ihrem Beisein den
Umschlag und verlese das Testament im Wortlaut.«
Er zerschnitt die obere Kante des Briefumschlages mit dem
Brieföffner, wobei er die Fäden des Siegels durchtrennte, und entnahm ihm
einige handschriftlich beschriebene Blätter.
»Ich, Heinrich Leander, formuliere hiermit im Vollbesitz meiner
geistigen und körperlichen Kräfte meinen letzten Willen. Alle vorherigen
Erklärungen werden damit hinfällig. Als Alleinerben meines gesamten Besitzes
und Vermögens setze ich meinen Enkel Henning Leander ein. Im Einzelnen sind
dies mein Haus in der Wilhelmstraße 23, mein Krabbenkutter Haffmöwe ,
meine Beteiligungen an der Nordfriesischen Haus-und Grundstücks-GmbH ,
mein Wertpapierdepot bei der Nordfriesischen Hypothekenbank sowie
sämtliche Konten und Barmittel, die bei der Nordfriesischen Hypothekenbank hinterlegt
sind, und beigefügter Brief, der meinem Enkel ungeöffnet zu übergeben ist. Mein
Enkel Henning Leander möge über sein Erbe nach eigenem Gutdünken und Gewissen
verfügen, mit Ausnahme meines Hauses in der Wilhelmstraße 23, für das folgende
Auflage gilt: Mein Enkel Henning Leander verpflichtet sich mit der Annahme des
Erbes, worum ich ihn ausdrücklich in familiärer Verbundenheit bitte, das Haus
in der Wilhelmstraße 23 während der ersten zehn Jahre nach Antritt der Erbschaft
nicht zu veräußern und in jedem Jahr mindestens vier Wochen lang darin zu
wohnen. Bei einer anschließenden Veräußerung des Hauses gilt die Auflage, dass
alle Möbel und Gegenstände von ihm persönlich aus dem Haus entfernt werden
müssen. Ich möchte hiermit sicherstellen, dass die familiäre Verbindung zwischen
meinem Enkel und mir, die zu meinen Lebzeiten leider nicht möglich war, nach
meinem Tode endlich eingeleitet und gefestigt wird, damit mein Enkel Antworten
auf seine Fragen hinsichtlich unserer Familiengeschichte bekommt. Wyk auf Föhr,
Datum, gezeichnet Heinrich Leander. Notariell beglaubigt und bestätigt durch
den anwesenden Rechtsanwalt und Notar Hauke Petersen.«
Der Notar ließ die Blätter sinken und fragte Leander, ob er das
Erbe annehme.
»Sie haben von heute an vier Wochen Zeit, sich zu entscheiden,
falls Sie gerne in Ruhe darüber nachdenken möchten«, erklärte er.
Leander überlegte einen Moment und fragte dann: »Verbindlichkeiten
sind mit diesem Erbe nicht verbunden?«
»Mit Ausnahme der Erbschaftssteuer und der Auflagen, die ich
Ihnen eben vorgelesen habe, keine. Ihr Großvater hat zeitlebens keinerlei
Schulden gemacht. Wenn Sie das Erbe annehmen, sind Sie ein vermögender Mann,
Herr Leander.«
»Dann verzichte ich auf die Bedenkzeit und nehme das Erbe an.«
Petersen erhob sich, reichte Leander zunächst die Hand und dann
den Cognacschwenker und gratulierte ihm. Nachdem beide Männer einen Schluck
getrunken hatten, setzte er sich wieder, nahm eine vorgefertigte Erklärung zur
Hand und las: »Herr Henning Leander erklärt hiermit: Ich nehme das Erbe meines
Großvaters Heinrich Leander an. Ort und Datum sind bereits eingesetzt. Wenn Sie
bitte unten rechts unterschreiben.«
Leander nahm den angebotenen Füllfederhalter und unterzeichnete
die Erklärung in zweifacher Ausfertigung. Anschließend unterschrieb der Notar,
legte ein Blatt in die Ledermappe und reichte Leander das zweite.
»Für Ihre Unterlagen«, erklärte er. »Eine Kopie des Testaments
lasse ich Ihnen umgehend zukommen. Sobald Sie den Erbschein in Händen haben,
können Sie über Ihr Erbe frei verfügen. Haben Sie noch irgendwelche Fragen?«
»Ja, wie groß ist dieses Vermögen, wie Sie es eben nannten,
ungefähr?«
»Einen genauen Überblick über den derzeitigen Wert der
Beteiligungen und Wertpapiere habe ich natürlich nicht. Aber wenn Sie
einigermaßen sparsam haushalten, so wie Ihr Großvater es getan hat, werden Sie
davon leben können.«
Leander brauchte einen
Moment, um die Bedeutung des eben Gehörten zu realisieren, und hakte dann nach:
»Sie sagten, Ihr Vater sei ein enger Freund meines Großvaters gewesen.
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