Leander und die Stille der Koje (German Edition)
dass der junge Mann nicht freiwillig hier war.
»Herr Vedder, können Sie bitte die beiden Kollegen hinaus in die Marsch fahren und ihnen den Tatort von gestern Abend zeigen?«, forderte Lena den Polizeibeamten auf. »Anschließend lassen Sie das Fahrzeug von Herrn Wiese ebenfalls sicherstellen und hierher schleppen. Und Sie, Herr Rickmers, kommen dann mal mit mir.«
Sie drehte sich um und nickte den Spurensicherern zu, die den Raum verließen, als sie mit Maarten Rickmers hereinkam.
»So, Herr Rickmers, nun zu Ihnen«, eröffnete sie das Gespräch. »Wir haben Sie noch einmal hierher gebeten, weil uns ein paar Punkte unklar sind.« Lena wies auf den freien Stuhl am Tisch gegenüber von Dieter Bennings, auf den der Jüngling sich lässig fallen ließ. Dabei streckte er die Beine weit von sich und verschränkte die Arme vor der Brust.
Klare Schutzhaltung, dachte Lena und setzte sich selbst wieder auf die Tischkante, um Maarten Rickmers aus der erhöhten Position direkt zu attackieren: »Sie haben uns belogen, Herr Rickmers!«
Der junge Mann versuchte, ein empörtes Gesicht zu machen, zog aber seine Beine zurück und rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
»Sie waren doch in der Boldixumer Vogelkoje, und zwar mit Ihrer Freundin Ariana Jeronski.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«, wehrte Maarten Rickmers ab, dem nun Schweißtropfen auf die Stirn traten.
»Wir haben Ihre Spuren gefunden. Eindeutige Spuren, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Jetzt zeigte Maarten Rickmers eine Reaktion, die sie in dieser Situation nicht von ihm erwartet hätte: Er entspannte sich, und einen Moment lang schien sich ein Lächeln auf sein Gesicht schleichen zu wollen.
»Ja, gut«, gab er zögernd zu. »Wir waren schon mal da. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass wir oft nicht gewusst haben, wo wir hin sollten. Außerdem hatte ich ja einen Schlüssel, das heißt, mein Vater hatte einen.«
»Den wird er Ihnen ja nicht gegeben haben«, wandte Lena ein und beugte sich leicht zu ihm hinunter, um durch die Nähe den Druck zu erhöhen. Dabei blickte sie ihm direkt in die Augen. »Konnten Sie sich also jederzeit an dem Schlüssel bedienen?«
»Nein, natürlich nicht«, beeilte sich Maarten Rickmers zu sagen. »Einmal hat er abends auf dem Küchentisch gelegen, als mein Vater nicht zu Hause war. Da habe ich ihn mir genommen.«
»Sie waren nicht nur einmal in der Vogelkoje«, korrigierte Lena. »Vor allem die Spuren, die Ihre Freundin auf dem Bettzeug hinterlassen hat, deuten darauf hin, dass Sie häufiger dort waren. Oder war Ihre Freundin auch noch mit jemand anderem als mit Ihnen da?«
»Meine Freundin vögelt nicht herum!«, fuhr Maarten Rickmers auf. »Das würde sie überhaupt nicht wagen.«
»Jetzt lassen Sie mal den Macho in der Hose«, ging Dieter Bennings im Befehlston dazwischen. »Das nimmt Ihnen sowieso niemand ab. Die Spurenlage ist eindeutig. Weshalb ist im Gegensatz zu den Körperflüssigkeiten Ihrer Freundin kaum Sperma von Ihnen zu finden?«
»Normalerweise benutze ich ein Kondom«, erklärte Maarten Rickmers jetzt etwas weniger forsch und rutschte mit dem Stuhl ein paar Zentimeter von Lena weg, die ihn nicht aus den Augen ließ. »Schließlich will ich mir kein Balg anhängen lassen.«
»Sie geben also zu«, stellte Lena fest, »dass Sie mehr als einmal in der Vogelkoje gewesen sind.«
»Ja, gut, ein paarmal, aber was soll das eigentlich alles? An dem Abend, an dem mein Vater dort getötet wurde, waren wir nicht da.«
»Wer sagt uns das?« Sie zuckte die Schultern. »Sie haben uns angelogen, und Sie geben immer nur so viel zu, wie wir Ihnen ohnehin nachweisen können.«
»Ariana hat das doch bestätigt. Wir waren draußen am Schöpfwerk. Das ist weit weg von der Vogelkoje. Außerdem hätten wir doch niemals riskiert, dass mein Vater uns dort vorfindet.«
»Vielleicht war das so«, lenkte Dieter Bennings ein. »Vielleicht hatte Ihr Vater sonst immer andere Termine außerhalb der Vogelkoje. Aber an diesem Abend hat er Sie überrascht. Sie haben gedacht, er sei auf einer Versammlung oder so. Plötzlich stand er im Raum, als Sie gerade mit Ihrer Freundin …«
»Nein, verdammt noch mal! Es war so, wie ich es Ihnen gesagt habe, genau so!«
»Lieben Sie Ihre Freundin?«, fragte Lena unvermittelt.
»Wie? Was soll das denn jetzt?« Maarten Rickmers strich sich nervös mit den Fingern durch die Haare. Dabei mied er Lenas Blick und richtete seine Augen lieber auf Dieter Bennings, als könnte er es mit einem Mann in
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