Leander und die Stille der Koje (German Edition)
knallte die Tür hinter sich zu.
»Arrogantes Arschloch«, urteilte Lena leise.
Dieter Bennings zuckte nur die Schultern. »Ich bin gespannt, wie uns der Herr Steencke die Sache erklärt«, meinte der Kriminalhauptkommissar. »Wir sollten ihn aufsuchen, bevor Maarten Rickmers sich mit ihm absprechen kann.«
Lena erhob sich von der Schreibtischkante, öffnete die Tür und rief hinaus: »Herr Olufs, rufen Sie doch bitte mal im Autohaus Steencke an, ob der Chef da ist. Wir würden gerne sofort vorbeikommen.«
Eine Minute später hörte sie die Antwort: »Herr Steencke ist auf dem Festland bei einem Geschäftspartner in Husum. Er ist erst morgen Mittag wieder auf der Insel.«
»Danke, Herr Olufs«, sagte Lena und wollte die Tür schon wieder schließen, als ihr noch etwas einfiel: »Ach, sagen Sie, wo ist eigentlich Herr Hinrichs?«
»Der hat sich den Nachmittag freigenommen. Hat gesagt, im Dienst würde er ja sowieso nicht gebraucht, solange Sie hier sind.«
Lena schloss grinsend die Tür und setzte sich zu Dieter Bennings an den Tisch.
»Dann werden wir in der Sache wohl bis morgen warten müssen«, kommentierte der. »Auch nicht schlimm, kriegen wir vielleicht heute etwas früher Feierabend.«
»Erst, wenn wir wissen, was die Spurensicherung gefunden hat«, bestimmte Lena und lehnte sich zurück. »Was hältst du von Maartens Erklärungen bezüglich der Spuren in der Vogelkoje?«
»Wichtigtuer«, winkte Dieter Bennings ab. »Der hat die Chance genutzt und sich mit seiner Ariana dort hin und wieder vergnügt.«
»Ich weiß nicht«, zweifelte Lena, legte ihre Stirn in Falten und blickte zum Fenster hinaus. »Der Bursche ist wie Wackelpudding. Den kann man nicht packen. Außerdem passen die vielen anderen DNA-Spuren nicht ins Bild.«
»Du hast ihn doch gestern beim Stadtfest erlebt. Der umgibt sich gern mit vielen Bewunderern. Wahrscheinlich hat er seine Kumpels und deren Anhang zu nächtlichen Feten in der Koje eingeladen – Alkohol, Drogen, Sex. So junge Burschen sind da nicht wählerisch, und die Mädchen machen heutzutage alles mit, wenn sie nur richtig zugedröhnt sind. Hast du noch nie von der Generation Porno gehört?«
»Vielleicht hast du recht. Bei Maarten Rickmers scheint die Hemmschwelle besonders niedrig zu liegen. Und Geld verdirbt den Charakter, erst recht, wenn man in so jungen Jahren schon zu viel davon hat.«
»Da müssen wir ansetzen, wenn du mich fragst.« Dieter Bennings tippte mit dem Zeigefinger auf den Tisch. »Bei der Kohle. Wenn das stimmt, was Mareen Olsen uns über Rickmers senior erzählt hat, dann hat er alle ganz schön kurz gehalten und seinen Sohn bestimmt nicht davon ausgenommen. Woher also hat der das Geld für seinen Luxus?«
»Denkst du dasselbe wie ich?«, hakte Lena nach und blickte Dieter Bennings direkt in die Augen.
Der lächelte und nickte mit dem Kopf. »Drogen. Das kleine Arschloch dealt. Da gehe ich jede Wette ein.«
»Und wenn wir schon dem Geld nachgehen, dann sollten wir in erster Linie Paulsen unter die Lupe nehmen. Seine Aussage, dass er Rickmers’ Geld nicht verwaltet habe, traue ich nicht mehr. Immerhin wissen wir nun, dass er auch Arfsten fast in den Ruin getrieben hätte und dass Frau Rickmers finanziell mit im Spiel ist.«
»Paulsen hat für mich das beste Motiv«, stimmte Dieter Bennings zu. »In seinen Ambitionen in der Jägerschaft wurde er von Rickmers ständig ausgebremst. Und seine Reputation als Anlageberater war durch unseren Chefjäger und Arfsten auch in Gefahr. Er steht mit dem Rücken an der Wand. Rickmers Tod ist für ihn geradezu ein Befreiungsschlag auf allen Ebenen.«
»Na also«, sagte Lena. »Dann folgen wir erst mal der Spur Paulsen. Den kleinen Dealer nehmen wir uns zur Brust, wenn der Mord aufgeklärt ist. Der läuft uns nicht weg«
Paul Woyke liebte seinen Beruf immer dann besonders, wenn auf den ersten Blick alles ganz einfach aussah oder scheinbar nichts zu finden war. In solchen Fällen fühlte er sich gefordert und entwickelte den Ehrgeiz, das Unsichtbare sichtbar zu machen und das Gegenteil des Offensichtlichen zu beweisen.
So war es auch jetzt wieder. Dem Augenschein nach war alles ganz einfach. Günter Wieses roter Transporter steckte mit dem Heck voran im Graben, mitten in der Marsch, auf einem schmalen und unwegsamen Wirtschaftsweg, der mit Schlaglöchern übersät und auf beiden Seiten von Gräben gesäumt war. Weit und breit war niemand sonst zu sehen, und überhaupt schien das hier die abgelegenste Ecke der
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