Leander und die Stille der Koje (German Edition)
hier?«
»Mein Hof ist doch da drüben«, antwortete der mit unsicherer Stimme und deutete ungenau in die Richtung. »War das der Albertsen? Ist er tot?«
»Haben Sie uns verständigt, Herr Frerich?«, ging Dieter Bennings nicht auf die Fragen des Landwirts ein.
Der nickte unsicher und schaute mit flatterndem Blick zwischen den beiden Kriminalbeamten hin und her.
»Warum haben Sie am Telefon nicht Ihren Namen genannt?«, fuhr Bennings ihn an.
»Ich wusste nicht … ich war doch … das ist doch alles …«
»Gehen Sie nach Hause, Herr Frerich«, unterbrach Lena ihn. »Wir kommen zu Ihnen, wenn wir hier fertig sind. Und dann wäre es besser für Sie, wenn Sie nachvollziehbare Antworten hätten.«
Der Landwirt nickte eingeschüchtert und schlurfte in seinen Gummistiefeln davon, während sich auf der Straße ein Streifenwagen in hohem Tempo näherte und schließlich direkt vor der Scheune zum Stehen kam. Paul Woyke und Helge Dulz entstiegen dem Fahrzeug und holten ihre schweren Alukoffer aus dem Kofferraum. Dann folgten sie Lena und Dieter Bennings die Treppe hinauf auf den Dachboden und ließen sich kurz einweisen.
»Mann!«, schimpfte Woyke schwer atmend, während er und Helge Dulz in ihre Schutzanzüge schlüpften. »Was ist hier eigentlich los? Ich denke, auf dieser Insel soll man Urlaub machen und nicht ständig über Leichen stolpern. Hoffentlich habt ihr nicht alles vertrampelt. Das sieht ja aus wie ein Schlachtfeld hier. Wer soll denn da noch Spuren finden?« Dann zog er weiße Plastikhandschuhe an und machte sich zusammen mit seinem schweigsamen Kollegen gleich an die Arbeit.
»Falls du Hinweise auf einen Mordversuch findest, gib uns bitte sofort Bescheid«, ordnete Lena an. »Und bei eindeutigen Beweisen für Suizid selbstverständlich auch. Wir gehen erst mal zu Frerich hinüber und fahren anschließend zu Albertsens Haus. Wenn wir da etwas finden, benachrichtigen wir dich.«
»Besten Dank auch. Zwei Tatorte auf einmal, das hat mir gerade noch gefehlt. Ich mache hier sowieso nur das Nötigste«, schimpfte Paul Woyke schlecht gelaunt. »Dann sperre ich alles ab. Ohne das große Besteck läuft hier gar nichts. Meine Leute sind aber erst morgen früh auf der Insel.«
»Was ist denn hier los?«, donnerte plötzlich eine tiefe Bassstimme dazwischen. Unbemerkt war Günter Wiese die Treppe heraufgekommen. »Was machen Sie denn hier, verdammt noch mal? Und wo ist Melf? Sein Auto steht doch unten.«
Lena klärte den Hofbesitzer kurz über den Sachstand auf.
»Melf? Meine Güte, warum macht er denn sowas? Oder war es jemand anderer?«
»Das wissen wir noch nicht. Wieso sind Sie hier? Hat Sie jemand angerufen?«
»Nein, ich wollte nach dem Rechten sehen. Melf hat sich heute noch nicht gemeldet, also bin ich davon ausgegangen, dass er in seiner Praxis ist. Ich kann ja auch nicht alles auf ihn abladen, und einer muss hier täglich nachsehen, ob alles in Ordnung ist. Wenn die Jäger sich unbeobachtet fühlen, ballern die da draußen rum und vertreiben die Vögel. Und dann dieses Gewitter. Ich habe einiges an teurer Technik hier. Ein Blitzeinschlag hätte verheerende Wirkung.«
»Sie waren also den ganzen Nachmittag zu Hause?«, fragte Lena, worauf Günter Wiese nickte. »Ich nehme an, Ihre Frau kann das bestätigen?«
»Natürlich. Sie wollte auch nicht, dass ich jetzt fahre, weil ich noch längst nicht wieder fit bin. Aber das hier ist schließlich mein Leben.«
»Sie können hier nicht bleiben«, bestimmte Lena. »Die Scheune ist zunächst einmal gesperrt. In den nächsten Tagen darf niemand hier rauf. Geben Sie dem Kollegen Woyke Ihren Schlüssel für das Tor.«
Wiese folgte der Anweisung widerstandslos. Zusammen stiegen die drei dann die Treppe hinab und überließen den Tatort den Kriminaltechnikern.
»Fahren Sie nach Hause, Herr Wiese«, sagte Lena. »Wir melden uns bei Ihnen, wenn wir Genaueres wissen. Und bitte, Herr Wiese, keine Alleingänge. Es gibt schon genug Theater hier auf der Insel.«
Während Günter Wiese abfuhr, stiegen Lena und Dieter Bennings ins Auto und fuhren die kurze Strecke zurück zu Hein Frerichs Hof. Das Anwesen wirkte völlig abgewirtschaftet und ähnelte in seinem Zustand der Bauruine von Günter Wiese, nur dass hier nichts danach aussah, als würde sich das demnächst ändern. Sie fanden Frerich und seine Frau in der Küche, die sie unaufgefordert durch die Deele betraten. Auf dem Tisch vor Frerich standen zwei leere Bierflaschen und eine offene Flasche Korn. Der Bauer
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