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Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Titel: Leander und die Stille der Koje (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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so dagestanden hatte, als er unten auf der Treppe erneut ein Geräusch hörte. Da war jemand! Eindeutig! Heinz Baginski schoss ein Pfeil der Erleichterung ins Herz, und er schrie, schrie aus voller Kehle und mit letzter Kraft und allem, was seine Stimme noch hergab.
    »Hilfe!«, schrie Heinz Baginski. »Zu Hilfe! Hier oben!«
    Einen Moment lang blieb alles still. Dann hörte er deutliche Schritte, heftige, stampfende Schritte, die immer schneller wurden. Aber sie kamen nicht näher, nein, im Gegenteil, die Schritte entfernten sich, liefen die Treppe hinab statt zu ihm herauf.
    »Halt!«, schrie Heinz Baginski. »Bleiben Sie hier! So helfen Sie doch! Bitte, ich brauche Hilfe!«
    Aber da waren die Schritte auch schon verklungen, und Heinz Baginski stand wieder alleine in der finsteren Nische dieser gottverdammten Scheune irgendwo am Ende der Inselwelt. Ein Blitz zerriss die Finsternis, der Donner folgte Sekunden später, jetzt schon wieder entfernter, der Regen prasselte unaufhörlich auf das Dach, der Wind pfiff durch die Ritzen, und Heinz Baginski schluchzte wie ein kleines Kind und hielt krampfhaft den schweren Körper hoch.

    Gleich nach dem Eingang des Notrufs hatten Lena und Dieter Bennings Jörn Vedder angewiesen, die beiden Kriminaltechniker zu verständigen, und sich auf den Weg gemacht. Zeitgleich mit den Kriminalbeamten trafen der Notarzt und der Rettungswagen auf dem Andelhof ein. Zusammen mit den Rettungskräften stürmten sie die Treppe hinauf, der Notarzt mit seinem Koffer vorweg, zwei Rettungssanitäter mit zwei Tragen als Letzte hinterher.
    Das Bild, das sich ihnen im Dämmerlicht auf dem Dachboden der Scheune dann bot, war so surreal, dass die Kriminalbeamten einen Moment brauchten, um die Situation klar zu erfassen. Melf Albertsen hing an einem Seil, das an einem Dachbalken festgeknotet war, gestützt von einem am ganzen Körper schlotternden Heinz Baginski, der auf einem wackeligen Schemel stand und sich an dem leblos wirkenden Körper mehr festhielt, als dass er ihm selber Halt bot.
    Während der Notarzt Heinz Baginskis völlig festgekrampfte Finger vom Körper des Erhängten löste und ihm vom Schemel half, hielt Dieter Bennings Melf Albertsen fest. Lena stieg auf den wackeligen Hocker und schnitt das Seil durch. Melf Albertsens Körper fiel vornüber auf Dieter Bennings’ Schulter und schubste Lena dabei vom Schemel. Mühsam bugsierte der Hauptkommissar den Leblosen mit der Hilfe eines der Rettungssanitäter auf den Scheunenboden und überließ ihn dann dem Notarzt, der sofort den Puls an seiner Halsschlagader überprüfte.
    »Er lebt. Sieht aber nicht gut aus«, informierte er die Kriminalbeamten, die das Geschehen angespannt beobachteten. »Es besteht die Gefahr, dass er ins Koma fällt.«
    Heinz Baginski, um den sich der zweite Rettungssanitäter kümmerte, stöhnte auf und sackte in eine Ohnmacht. Der Arzt gab den beiden Sanitätern die Anweisung, Melf Albertsen eine Infusion anzulegen, während er sich um Heinz Baginski kümmerte.
    »Scheiße, der Mann ist völlig weggetreten, sein Herz macht Sprünge, als wenn er untrainiert einen Marathon gelaufen wäre«, erklärte er und angelte eine Einwegspritze und eine Flasche aus seinem Koffer. »Wenn er nicht sofort auf die Intensivstation kommt, kriegt der noch einen Herzinfarkt. Hoffentlich hält er bis dahin durch.«
    Die Rettungskräfte arbeiteten wie automatisch Hand in Hand und versorgten die beiden Männer. Dann hoben die Sanitäter Melf Albertsen auf die Trage und brachten ihn so schnell, wie es die Treppe zuließ, hinunter in den Rettungswagen. Anschließend verfrachteten sie Heinz Baginski auf dieselbe Weise auf die zweite Liege des RTW. Im letzten Moment fiel Lena noch etwas ein. Sie bat einen der Rettungssanitäter, in Melf Albertsens Kleidung nach einem Schlüssel zu suchen. Der folgte verständnislos dem Wunsch und reichte ihr schließlich einen Schlüsselbund aus dem Wagen. Dann zog er die Doppeltür von innen zu, und Sekunden später raste der RTW mit Blaulicht und Martinshorn davon, dicht gefolgt von dem Notarztwagen.
    Als Lena und Dieter Bennings gerade wieder in die Scheune zurückgehen wollten, erblickten sie Hein Frerich, der das Geschehen von der Straße aus beobachtet hatte und nun unschlüssig schien, ob er sich einfach wieder verdrücken sollte. Der Landwirt wechselte von einem Bein aufs andere und schaute unsicher zu den Kriminalbeamten herüber.
    »Herr Frerich«, rief Lena ihn zu sich. »Was machen Sie denn

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