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Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Titel: Leander und die Stille der Koje (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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Gebäudes, denn hier gab es einen verglasten Giebel, durch den trotz des Gewitterhimmels und des dichten Regens ausreichend Licht fiel. Als es erneut blitzte, war es taghell in der Scheune. Baginski erkannte ein paar Stative mit Spektiven vor dem verglasten First und trat interessiert näher. Nun bot sich ihm ein atemberaubender Ausblick über die renaturierte Fläche, auch wenn man wegen der dichten Regenschleier keine Details erkennen konnte. Wie ungleich faszinierender musste es hier bei gutem Wetter sein! Und was musste er aus dieser Perspektive durch sein Teleobjektiv für fantastische Aufnahmen machen können!
    Plötzlich ertönte ein lautes und dumpfes Poltern hinter Heinz Baginskis Rücken, so dass er zusammenfuhr und sich mit zitternden Beinen umdrehte, immer gefasst darauf, eine Dachlatte über den Schädel gezogen zu bekommen. An den Hausherrn, der hier wahrscheinlich irgendwo war und Einbrecher bestimmt nicht schätzte, hatte er in seiner Begeisterung für den Ausblick gar nicht mehr gedacht. Wieder blitzte es, so dass der Dachboden bis in den hintersten Winkel erleuchtet wurde, aber es war niemand zu sehen. Verdammt noch mal, er konnte sich doch nicht schon wieder ein Geräusch eingebildet haben! Auf jeden Fall nicht so ein lautes. Dann krachte der Donner in die plötzlich wieder hereingebrochene Finsternis.
    »Hallo!«, rief Baginski mit zitternder Stimme. »Ist da wer?«
    Keine Antwort, nur das heftige Prasseln des Regens auf das Dach und vor die Fensterfront war zu hören. Heinz Baginski stand wie erstarrt und hatte Mühe, sich wieder zu fassen. Dann raffte er sich auf und bewegte sich vorsichtig in die Richtung, aus der das Poltern gekommen war. Hinter der Treppe zur Glaskuppel lag ein Teil des Dachbodens in völliger Dunkelheit und entzog sich den Blicken vom Giebel aus. Zögernd tastete sich Heinz Baginski vor, immer darauf gefasst, sich den Kopf an einem Balken anzuschlagen. Plötzlich stieß er stattdessen mit dem rechten Fuß gegen etwas Hartes, das leicht polternd zurückwich, und wäre fast gestolpert, allerdings nicht, weil er zu schnell gewesen wäre, sondern allein wegen des Schreckens, der ihm durch den ganzen Körper schoss wie ein eingeschlagener Blitz.
    Langsam tastete er sich mit den Händen weiter, fingerte die Dunkelheit ab und stieß erneut gegen etwas, diesmal aber deutlich Weicheres, das in der Luft zu hängen schien und leicht pendelte. Der nächste Blitz kam zeitgleich mit einem krachenden Donnerschlag direkt über der Scheune. Aber das war es nicht, was Heinz Baginski dazu brachte, einen gellenden Schrei in die gleich wieder folgende Dunkelheit zu schicken.
    Im schonungslos grellen Licht des Blitzes hatte sich eine Momentaufnahme in sein Gehirn gebrannt, so dass er in der darauf folgenden Dunkelheit den pendelnden Gegenstand, gegen den er gestoßen war, als leblosen Körper eines Mannes identifizierte, der baumelnd von einem Querbalken des Scheunendaches hing. Noch bevor diese Erkenntnis zu seinem Bewusstsein durchgedrungen war, hatte sein vegetatives Nervensystem den Schrei ausgelöst und gleich darauf seine Kehle wie mit einem Kugelventil verschlossen.
    Schwer nach Luft schnappend stand er nun da und gab sich für einen Moment der Schockstarre hin, die von ihm Besitz zu ergreifen drohte, aber dann erschütterte ein Ruck seinen Körper und Heinz Baginski handelte. Wie ein Roboter setzte sich der inzwischen Schockgeprüfte in Bewegung, aber nicht sein Fluchtinstinkt übernahm die Regie, sondern das Programm für rationales Handeln.
    So stand er Sekunden später auf dem wieder aufgerichteten Melkschemel, gegen den er eben noch mit dem Fuß gestoßen war, und hielt mit aller Kraft den schweren Körper des Erhängten hoch, während er mit der linken Hand versuchte, den Knoten zu lösen, der dem Mann die Luft abschnürte. Zwar bekam er Zeigefinger und Mittelfinger zwischen Hals und Strick und konnte sogar leicht ziehen, aber daran, die Schlinge über den Kopf des Leblosen zu streifen, war in dieser Stellung auf dem wackeligen Hocker überhaupt nicht zu denken. Hätte der Körper nur etwas höher gehangen, wäre nicht einmal das Lockern der Schlinge möglich gewesen. Mist, dass er nicht rechtzeitig daran gedacht hatte, sein Handy aus der Tasche zu ziehen. Jetzt, in dieser fatalen Stellung auf dem Schemel, traute er sich nicht, in seinen Hosentaschen danach zu suchen. Zu groß war die Gefahr, die Schlinge dabei noch fester zuzuziehen.
    Heinz Baginski wusste nicht, wie lange er schon

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