Leander und die Stille der Koje (German Edition)
dröhnend wider. Schnell schob Baginski den Holzschieber vor und baute seine Ausrüstung ab. Jetzt musste er sehr sorgfältig vorgehen, damit die Kamera und die Objektive sicher verstaut waren, wenn sie nachher dem Regen ausgesetzt wurden. Baginski klappte sein Stativ zusammen und schulterte die Taschen. Dann eilte er, so gut es in der Dunkelheit ging, den Slalomweg durch die Hütte in Richtung Eingangstür entlang, die jetzt laut scheppernd immer wieder aufgerissen und in den Rahmen zurückgeschleudert wurde.
Hein Frerich rannte die Straße entlang bis auf den Hof seines Konkurrenten. Da parkte die Karre des Rüpels, aber es war nicht Wieses Auto, sondern das von diesem anderen Spinner, dem Albertsen. Und da vorne rechts stand die Scheune sperrangelweit offen. Frerich griff sich einen dünnen Zaunpfosten, der im Gewirr des Bauholzes auf einem Stapel lag, und lief auf die Scheune zu. Dem Drecksack würde er es zeigen!
Heinz Baginski lugte vorsichtig zur Tür hinaus: Da draußen drohte gerade die Welt unterzugehen. Der Himmel war pechschwarz, der Regen hatte bereits kleine Tümpel gebildet, von denen die Wassertropfen beim Aufschlagen in die Luft zurückgeschleudert wurden. Einen Moment lang überlegte Baginski, ob er nicht doch besser im Schutz der Hütte bliebe, aber der nächste Blitz erinnerte ihn daran, dass er genau diesen Schutz gerade eben noch in Frage gestellt hatte. Also lief er zu seinem Fahrrad, zog es vom Ständer und eilte in Richtung Parkplatz, um in die Scheune zu gelangen, bevor er komplett nass war. Als er die Einfahrt passierte, bemerkte er ein Auto, das vorhin noch nicht da gestanden hatte. Es handelte sich um einen roten Golf Variant. Von dem Fahrer war weit und breit nichts zu sehen.
Wieder blitzte es, diesmal gleich mehrfach hintereinander. Kaum war der letzte Lichtzacken erloschen, krachte es auch schon in kurzer Folge. Dabei zerplatzten immer mehr Regentropfen auf Baginskis Kopf, und er hastete in Richtung Scheune weiter. Zu seiner grenzenlosen Freude stand nun das Tor weit offen. So ein Glück! Baginski rannte hindurch in den Schutz des großen Gebäudes und wäre in der Dunkelheit, die ihn plötzlich umfing, fast über einen Stapel Holzbalken gestolpert. Gerade noch rechtzeitig stemmte er seine Hacken fest gegen die Laufrichtung und kam wenige Zentimeter vor dem Hindernis schwer atmend zum Stehen. Erleichtert ächzte er auf, stellte sein Fahrrad auf den Ständer und seine Taschen in den Staub und wandte sich zum Eingang zurück, um durch das weit geöffnete Tor zu beobachten, wie der Regen nun herunterprasselte, in Böen plötzlich fast waagerecht weggetrieben wurde und in immer kürzeren Abständen die Blitze reflektierte, während es unentwegt über Baginskis Kopf krachte.
Vom Scheunendach rauschte das Wasser in die Tiefe, offenbar waren die Regenrinnen nicht mehr in der Lage, es zu halten und abzuleiten. Die Windböen trieben nasse Spritzer durch das Tor bis in die Scheune, so dass Heinz Baginski ein paar Schritte zurückweichen musste, um nicht noch nasser zu werden. Und dann – endlich – erfasste er die ganze Tragweite der Situation, in der er sich befand, und die Chance, die sich für ihn daraus ergab. Baginski konnte sein Glück kaum fassen, dass er jetzt doch noch in den Genuss des Aussichtsdachbodens kommen sollte und vielleicht sogar ein Gespräch mit einem der Verantwortlichen des Vereins Elmeere führen konnte.
Er wandte sich der Holztreppe zu, die in die oberen Etagen führte, und begann mit dem Aufstieg. Die Treppe machte auf halber Höhe einen 180-Grad-Bogen und führte von da direkt auf den ersten Dachboden. Auch hier lag Holz herum. Alles machte den Eindruck, als befinde sich das Gebäude mitten im Umbau. Sonst gab es hier nichts zu sehen, zumal es auf dieser Ebene fast stockdunkel war. Also machte er sich auf den Weg zum nächsten Stockwerk und hatte gerade die erste Biegung genommen, als er auf der Treppe über sich Schritte hörte.
»Hallo?!«, rief er hinauf, um dem Hausherrn nicht unvermittelt gegenüberzustehen und sich als erwischter Eindringling rechtfertigen zu müssen, aber da war oben wieder alles still.
Baginski stieg also weiter die Treppe hinauf und befand sich kurz darauf im obersten Stockwerk in einem hohen und mit Holz ausgebauten Raum wieder. Er staunte, wie riesig diese Scheune war. Weit und breit war niemand zu sehen, also hatte sich Baginski eben auf der Treppe wohl doch getäuscht. Dieses Stockwerk war bedeutend heller als der Rest des
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