Leander und die Stille der Koje (German Edition)
Schwarzrock bist du noch nachträglich eine Schande für deine Zunft.«
»Da kennst du meine Zunft aber schlecht. Gegen die bin ich das reinste Unschuldslamm. So, Tom, Zahltag. Mein Opferstock ist geöffnet.«
»Was sagst du eigentlich dazu, Götz?«, wandte sich Tom Brodersen Hilfe suchend an den Maler.
»Tut mir leid, Tom. Du weißt ja: De mortuis nihil nisi bene. Und da mir zu dir nichts Gutes einfällt, schweige ich lieber.«
»Du bist doch selber schuld«, behauptete Mephisto nun. »Das soll man ja auch nicht machen: Die Wanne verkaufen, wenn die Frau noch drin liegt.«
»Apropos Frau«, lenkte Tom Brodersen das Thema um und zahlte das verlorene Spiel, als berühre ihn das überhaupt nicht mehr. »Gestern Morgen habe ich unseren Freund Maarten Rickmers gesehen. Erinnert ihr euch daran, wie er beim Hafenfest seine Freundin Ariana Jeronski behandelt hat? Gestern Morgen hat er von ihr eine gescheuert bekommen.«
»Abgesehen davon, dass mich das freut«, zeigte Leander Interesse, »stellt sich die Frage: warum?«
»Tja, sie ist hinzugekommen, als er gerade den Arm um ein anderes Mädchen gelegt hat, und zwar um Tatjana Rybosch. Russlanddeutsche wie Ariana, aber um Klassen hübscher.«
»Oho!«, verschaffte sich Mephisto Gehör. »Dazu habe auch ich einen interessanten Beitrag zu leisten, der direkt meinen Feld-, respektive Strandstudien entspringt.«
»Was machst du denn für Strandstudien?«, höhnte Götz Hindelang.
Aber Leander war hellhörig geworden: »Wir lauschen, edler Greis.«
»Also«, setzte Mephisto erneut an und senkte verschwörerisch seine Stimme. »Manchmal führen mich meine Schritte auch vorbei am FKK-Strand.«
»Schritte? Plural?«, warf Tom Brodersen ein. »Ist das nicht eher Singular: dein Schritt?«
»Derartige grammatikalische und semantische Spielereien sind mir fremd, die überlasse ich lieber dir, Meister der Linguistik«, fuhr Mephisto in gleichem Tonfall fort. »Ich habe ein eher anthropologisches Interesse, und da gibt es heutzutage durchaus interessante Entwicklungen zu beobachten, was das Balzverhalten der männlichen Exemplare des Homo sapiens betrifft.«
»Ich ahne, worauf du anspielst«, stimmte Tom Brodersen zu.
»Nun denn also«, fuhr Mephisto fort, bevor ihm die Aufmerksamkeit zu entgleiten drohte, »als mich meine Forschungsexkursionen heutigen Tages wieder einmal an besagtem Gestade vorbeiführten …«
»Am FKK-Strand«, konkretisierte Tom Brodersen und fing sich dafür einen strafenden Blick Mephistos ein.
»… da machte ich eine höchst interessante Beobachtung.«
»In deinem Alter und bei deinem ehemaligen Beruf ist da alles interessant«, beschied ihm Götz Hindelang.
Mephisto ging nicht darauf ein, genoss die Kunstpause, die er nun einlegte, in tiefen Zügen und trank in ausgiebigen Schlucken von seinem Bier.
»Fahre fort, Meister der Spannungssteigerung«, reagierte Leander ungeduldig und zündete damit einen schalkhaften Funken in Mephistos Augen.
»Jaja, gemach, gemach. Gut Ding will Weile haben. Was lange währt, wird endlich gut.«
»Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen«, erhob Tom Brodersen drohend seine Stimme gegen Mephisto. »Aber schon so mancher erdrosselte Zwerg von seinem Kneipenstuhl!«
»Ich weiß nicht, ob ich in einer solch aggressiven Atmosphäre in der Lage und gewillt bin, meine Perlen weiterhin vor die Säue zu werfen«, beschwerte sich Mephisto, hob jedoch gleich abwehrend seine Hände, als Tom Brodersen sich von seinem Stuhl erhob und über den Tisch vorbeugte. »Aber ich will mal nicht so sein. Also: Zu besagter Stunde erblickte ich an jenem Strande einen Jüngling in unzweideutigem Clinch mit einer brünetten Schönheit, von der wir nun wissen, dass es sich dabei um eine gewisse Tatjana Rybosch gehandelt haben könnte. Denn besagter Jüngling war niemand anderer als Maarten Rickmers, und besagte Schönheit war nicht Ariana Jeronski. Das sollte doch in eingangs behandeltem Kontext von Interesse sein, wenn ich nicht irre, oder?«
»Da hast du allerdings recht«, stimmte Leander zu. »Zumindest erklärt uns das die Ohrfeige und weckt unsere Sympathie für die Dame, die diesen Streich gegen den Lausebengel geführt hat.«
»Mehr aber auch nicht«, wandte Götz Hindelang ein. »Das war zwar ein nettes Geschichtchen, aber die Frage stellt sich: Cui bono? Was nützt uns das? Lasst uns lieber wieder Skat spielen. Tom hat gerade eine Pechsträhne, die sollten wir nutzen.«
Da niemand widersprach und alle sich noch an den
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