Leander und die Stille der Koje (German Edition)
ja jetzt bald los«, hörten sie Hinrichs noch dröhnen. »Das kann ich dir sagen, Jens, dann weht hier wieder ein anderer Wind.«
»Arschloch«, sagte Dieter Bennings und warf die Tür hinter sich zu.
Lena verglich die eingestanzte Nummer mit denen auf der Waffenbesitzkarte und legte das Gewehr dann vorsichtig beiseite. »Tja, das ist Paulsens Gewehr, das er als gestohlen gemeldet hat. Der Beschuss dürfte reine Formsache sein. Albertsen hat den Anschlag verübt. Druckst du bitte mal das Foto von dem Holzteil aus, das Woyke gefunden hat?«
Dieter Bennings setzte sich an seinen Schreibtisch, zog das Kartenlesegerät aus der Schublade, schloss es an den USB-Anschluss und steckte die Speicherkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz. Sekunden später fing der Drucker nach ein paar Klicks mit der Maus auf dem Bildschirm an, Geräusche zu machen und das Foto auszudrucken.
Lena nahm es und ging damit hinaus zu Jens Olufs. »Herr Kollege, fahren Sie doch bitte sofort zu dem Kojenwärter – wie hieß der doch gleich?«
»Jörgens.«
»Genau. Herr Jörgens soll sich dieses Foto einmal ansehen. Es könnte sich um die Tatwaffe im Mordfall Rickmers handeln. Vielleicht kann er uns sagen, was das ist.«
Jens Olufs schnappte sich seine Dienstmütze und machte sich sofort auf den Weg. Oberkommissar Torben Hinrichs pfiff leise vor sich hin, sagte aber nichts.
Henning Leander war pünktlich zum Skatabend im Kleinen Versteck in der Mühlenstraße. Mephisto war natürlich schon da, denn ihm gehörte die Kneipe ja, auch wenn er, wie er sich ausdrückte, »das operative Geschäft« langsam an seine Angestellte übergab, was nicht weniger hieß, als dass sie die ganze Arbeit machen musste. Mephisto selbst saß mit einem Bierglas am Stammtisch und freute sich sichtlich, dass seine Skatbrüder nun nach und nach eintrudelten.
Als alle mit Bier versorgt waren und der erste Köm mit Mephistos Segen »Ich wünsche euch allen ein gutes und mir ein besseres Blatt!« die erwartungsfrohen Kehlen hinabgeflossen war, begann Götz Hindelang gleich mit dem Mischen. In diesem Kreis wusste man nie, wie lange man tatsächlich spielen konnte, ohne dass sich irgendeine unsinnige Diskussion entsponn und den Spielfluss hemmte, also musste man jede Minute nutzen.
Er verteilte die Karten und musste nun, weil sie zu viert spielten, aussetzen.
»Achtzehn!«, begann Tom Brodersen.
»Jo!«, kam es donnernd von Mephisto.
»Zwanzig!«
»Zwanzig hab ich immer!«
»Zwo!«
»Bei Zwo fang ich erst an!«
»Null!«
»Gaaanz weit weg!«
»Henning?«
»Weg!«
Tom nahm den Skat auf, und während er ihn ohne jede Regung im Gesicht in sein Blatt einsortierte, fragte er Mephisto wie beiläufig: »Wolltest du etwa Pik spielen?«
»Nö.«
»Dann ist ja gut. Den hättest du nämlich verloren.«
»Deshalb wollte ich den ja auch gar nicht spielen.«
Tom drückte zwei Karten und sagte »Pik!« an, allerdings änderte sich sein überlegener Gesichtsausdruck schlagartig, als er von Mephisto ein triumphierendes »Kontra!« zurückbekam.
Der Spielverlauf erfüllte seine schlimmsten Befürchtungen. Mephisto sorgte durch sein Aufspiel mit der langen Farbe Karo dafür, dass Tom sofort einstechen musste. Das machte ihn angesichts der Tatsache, dass er nur fünf Trümpfe besaß, von vornherein schwach. Auch dann hätte er aber noch gewinnen können, wenn er sein Beiblatt durchbekommen hätte. Stattdessen stach Mephisto im weiteren Verlauf des Spiels Toms Kreuz As und Herz As. Außerdem wechselten sich Mephisto und Leander ab, indem Letzterer mit seinem guten Beiblatt – Kreuz Zehn und Herz Zehn jeweils besetzt – die Punkte machte, während Mephisto Toms Trümpfe übernehmen konnte und ihn anschließend mit Karo immer zum Einstechen zwang. Im Ergebnis schaffte Tom Brodersen gerade einmal knapp den Schneider, weil er das Karo Ass hatte stechen können. Deprimiert zählte er seine wenigen Punkte.
»Verdammt, du hattest ja mehr Trümpfe als ich«, beschwerte er sich bei Mephisto.
»Das hast du mit scharfem Blick verfolgt«, entgegnete der ungerührt. »Im Zahlenraum bis elf scheinst du relativ sicher zu sein. Fragt sich, warum du angesichts deiner Trumpfschwäche überhaupt Pik gespielt hast.«
»Und warum wolltest du nicht selbst Pik spielen?«, entgegnete der so Gerügte.
»Wer sagt denn, dass ich das nicht wollte?«
»Du hast das gesagt!«
»Echt? Da hab ich wohl gelogen.«
»Mephisto, Mephisto«, kommentierte Leander kopfschüttelnd. »Selbst als ehemaliger
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